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Noch keine Entscheidung über Abriss

Eigentümer sucht Cafébetreiber für altes Colonatshaus Baumhöfener an der Hauptstraße

Von Ulrich Hohenhoff
und Markus Poch (Fotos)
Brackwede (WB). Ob der alte Hof Baumhöfener an der Hauptstraße 27 abgerissen wird und Neubauten weichen muss, steht noch nicht fest. Besitzer Walter Göke, dem eigentlich vorschwebt, dass in dem wunderschönen historischen Gemäuer ein zeitgemäßes Café Platz findet, hat noch keinen interessierten Betreiber gefunden. »Wenn sich in den nächsten Monaten nichts tut, kommen die Abbruchbagger.«

Für Ortsheimatpfleger Rolf Künnemeyer eine Katastrophe. »Damit würde eines der letzten historischen Gebäude Brackwedes verschwinden.« Andererseits kann er verstehen, »dass das Areal seinem Eigentümer auch wirtschaftlichen Nutzen bringen muss«. Zumal die Sanierungskosten des zunehmend angeschlagenen Gebäudes sehr hoch sind. Die Zeichen der Zeit haben ihre Spuren hinterlassen. Zwar sind Fenster und Türen inzwischen vernagelt, doch das Haus steht seit 2001 leer und wurde von nicht willkommenen Gästen heimgesucht. Walter Göke, Inhaber des renommierten Immobilienservice-Unternehmens, das in Brackwede viele Häuser gebaut hat: »Die Außensanierung würde ich auf meine Kosten machen lassen, nur einem Betreiber auch noch das Mobiliar zu bezahlen, ist nicht drin.«
Mit dem möglichen Abriss des mehr als 450 Jahre alten Gebäudes, als so genanntes Colonatshaus Teil der mehrere Kotten und Häuser umfassenden Besitzung Baumhöfener, würde ein wahrhaft historisches Schmuckstück dem Erdboden gleichgemacht. Dabei hatte das Haus seinen Ursprung nicht in Brackwede, sondern stand in der Grundheide in Senne I. 1812 wurde die einstmals Grundmannsche Besitzung nach der Familienüberlieferung der Baumhöfeners von »Colon Johann Heinrich Baumhower aus Brackwede für 750 Thaler ersteigert«. In dem Kaufvertrag heißt es, »dass das Haus ohne Ofen verkauft wird«. Der riesige gemauerte Herd war so groß, dass sogar der große Futterkessel einfach in die Feuerlöcher gestellt werden konnte.
Während des strengen Winters 1812 ließ der neue Besitzer das Colonatshaus abbrechen und über die schlechte, holprige Poststraße, die beim Hof Baumhöfener auf die Hauptstraße mündete und deren letzter Teil alten Brackwedern als »Böckenhagen« bekannt ist, an den neuen Standort bringen. Die Bäuerin, die das Gespann schon von weitem aus der Senne herankommen sah, lief dem Transport mit Schwarzbrot entgegen, um die total erschöpften Pferde zu füttern. Dennoch gingen zwei Tiere an Erschöpfung ein.
Und an fremden Besuchern mangelte es nicht. Schon ein Jahr nach dem Aufbau des Hauses, 1813, bekam der Hof eine »Einquartierung«. Ein russischer Offizier mit zehn Mann wurde dort untergebracht. Die Russen waren große Apfelliebhaber. Sie verlangten immer wieder neue Äpfel und vertilgten den großen Vorrat sehr schnell. Einmal drangen sie sogar nachts in die Kammer der Bäuerin ein, um Äpfel zu bekommen. Erst der Offizier brachte die Kosaken mit der Nagaika (Kosakenpeitsche) zur Vernunft.
Anhand historischer Steuerlisten lässt sich zudem feststellen, welche Familien, außer dem Hofbesitzer, in den Häusern der Besitzung Baumhöfener, Hauptstraße 23 bis 31, wohnten. Von Tischlern, Spinnern und Fabrikarbeitern ist da die Rede. Im Rahmen der Ortskernsanierung 1957 wurden alle alten Gebäude abgerissen, übrig blieb nur das Colonatshaus. Und das steht nicht unter Denkmalsschutz.

Artikel vom 16.11.2006