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Manchmal nur
ein Lächeln

»Die Kanzlerin« im ZDF-Porträt

Von Esteban Engel
ZDF, 22.10 Uhr: Ein Jahr ist Angela Merkel schon im Kanzleramt. Die Dokumentation »Die Kanzlerin« porträtiert die CDU-Politikerin.

Als »Prinzessin auf der Erbse« habe sie sich am Anfang im Kanzleramt gefühlt, berichtet Merkel den Autorinnen Claudia Bissinger und Evelyn Roll. Die vielen Berater, die Büroleiterin - alle versammelt um den runden Tisch zur Morgenlage und sie mitten drin. »Mittags Prodi, danach Mehrwertsteuer«, fasst Merkel ihren Alltag in Berlin zusammen. Immer wieder habe sie »ein unsicheres Gefühl« beschlichen, »ob alles ordentlich läuft«, gibt sie zu Protokoll.
Was macht Merkel aus dem Amt und was macht das Amt aus Merkel, wollten Bissinger und Roll wissen. Weil die Kanzlerin vor der Kamera eher ungelenk wirke, hätten sie versucht, über Umwege »an Merkel näher heranzukommen«. Die Autorinnen spielten der Kanzlerin jene Bilder ab, die Marksteine ihres ersten Amtsjahres waren. Vom TV-Showdown am Wahlabend mit Gerhard Schröder bis zur Libanon-Abstimmung im Bundestag: Merkel kommentiert ein Jahr Merkel, mal mit Worten, mal mit Mienenspiel.
Zwar verweigert die Kanzlerin bei der Video-Beobachtung eine allzu tiefe Einsicht in ihre Gefühlswelt. Und auch die Antwort auf die Frage, ob sie sich verändert habe, bleibt eher schwammig. Zu Gesundheitsreform, Arbeitslosigkeit und Militäreinsätzen sagt sie kaum etwas. Doch wenn Roland Koch gewunden einen Treueschwur auf Merkel ablegt und Edmund Stoiber seinen Berlin- Verzicht wortreich beschwört, ist die Gesichtssprache eindeutig. Verschmitzt blickt die Kanzlerin auf den Bildschirm - diese Männer hat sie durchschaut.
Auch im Verhältnis zum Koalitionspartner gibt sich Merkel zwischen realistisch und bedeckt. Mindestens einmal täglich denke sie an Vize-Kanzler Franz Müntefering, das Verhältnis sei »okay, aber geschäftlich«. Die Einschätzung teilt auch der SPD-Politiker.
Wenn Tony Blair die Kanzlerin von Downing Street verabschiedet, fällt Merkel auf, dass der britische Premier seine Hand in der Hosentasche belässt. Als Höhepunkt dann die WM: Hier tritt Merkel als pfeifende, klatschende oder singende Kanzlerin neben »Kaiser« Franz Beckenbauer im Stadion auf. Und der Zuschauer erfährt sogar auch, dass Merkel die Kurve auf dem roten Empfangsteppich vor dem Kanzleramt inklusive elegantem Seitenwechsel mittlerweile problemlos meistert.

Artikel vom 15.11.2006