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Koalition muss
»nachsitzen«

Note 4,4 von den Unternehmern

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Die Wirtschaft floriert. Doch die Politiker sollen keineswegs glauben, dass dies ihr Erfolg ist. Bei einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld gaben die Unternehmer der Region der Großen Koalition in Berlin nach einem Jahr im Amt die Note 4,4.
Ortwin Goldbeck: Aufschwung trotz Politik.

Ginge es in der Politik zu wie in der Schule, wäre die Versetzung der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerst gefährdet. Eine glatte 5,0 und damit die schlechteste Zensur erhielt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). »Der Gesundheitsfonds ist und bleibt ein Fehlkonstrukt«, erklärte gestern der neue IHK-Präsident Ortwin Goldbeck bei der Vorstellung der von Bielefelder Institut SOKO durchgeführten Umfrage. 417 Firmen haben sich beteiligt. Damit ist die Umfrage nach Angaben von IHK-Geschäftsführer Christoph von der Heiden zwar nicht repräsentativ; sie gebe aber ein sehr genaues Stimmungsbild wieder.
Einen gewissen Ausgleich erzielt die Große Koalition bei den ostwestfälischen Unternehmern mit ihrer Familienpolitik. Das neue Elterngeld wurde mit 3,1 bewertet. Dies war zugleich die beste Note. Noch relativ positiv bewerteten die Vertreter der Wirtschaft außerdem die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf schrittweise 67 Jahre und sehr positiv das Modell der schwarz-roten Koalition für eine Reform der Erbschaftssteuer.
Die letzten Antworten auf die IHK-Umfrage gingen am 27. Oktober ein. Goldbeck schätzt, dass die Koalition seitdem etwas Boden gut gemacht hat. Dies könnte nach Ansicht des IHK-Hauptgeschäftsführers Thomas Niehoff auch für die Unternehmenssteuerreform gelten, selbst wenn der erhoffte Steuersatz von durchschnittlich 25 Prozent mit knapp 30 Prozent von der Koalition verfehlt wurde. Viel werde davon abhängen, wie die Regierung die angekündigte Gegenfinanzierung gestalte. »In jedem Fall muss für die Unternehmen unterm Strich eine deutliche Entlastung herausspringen«, forderte Niehoff. Schließlich konkurriere die Wirtschaft auch auf dem Sektor mit ihren Nachbarländern.
Goldbeck plädierte aus dem gleichen Grund auch für eine »Anpassung des Kündigungsschutzes an die internationalen Standards«. Dies werde zu mehr Beschäftigung und zu einer Entlastung des Sozialsystems führen.
Die Note 4,6 gaben die Unternehmer der für den 1. Januar 2007 beschlossenen Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent. Goldbeck räumte allerdings ein, dass eine Harmonisierung in Europa wünschenswert sei. Eine Anhebung ohne Entlastung an anderer Stelle gefährde jedoch die sich positiv entwickelnde Konjunktur. Trotz allem rechnet die IHK aber nur mit einer vorübergehenden Delle.

Artikel vom 15.11.2006