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»Barschel musste sterben,
weil er auspacken wollte«

Heute im Gespräch: Wolfram Baentsch, Autor und Geheimdienstkenner

Bielefeld (WB). Das Im September erschienene Buch »Der Doppelmord an Uwe Barschel« taucht in der »Spiegel«-Bestsellerliste nicht auf, liegt aber bereits in zweiter Auflage in den Buchhandlungen. Reinhard Brockmann sprach mit Autor Wolfram Baentsch. Wolfram Baentsch mit seinem Buch »Der Doppelmord an Uwe Barschel«: Der 43-Jährige Autor ist davon überzeugt, dass in internationales Killerkommando Uwe Barschel getötet hat. Foto: BüscherWurde am 11. Oktober 1987 tot im Hotel Beau Rivage in Genf gefunden: Uwe Barschel.
Als Uwe Barschel in Genf tot in der Badewanne gefunden wurde, ging die Meldung vom Selbstmord um die Welt. Sie behaupten 19 Jahre danach, er sei umgebracht worden, sogar zweifach. Wie das?Baentsch: Es war Mord. Doppelmord, weil dem physischen Mord ein Rufmord vorangegangen ist, der bis in die heutigen Tage an Uwe Barschel verübt wird. Barschel ist eindeutig vergiftet worden. Die Legende, er habe sich selbst vergiftet, ist immer nur als Schutzbehauptung aufgestellt worden, weil man die Wahrheit vertuschen wollte. Es gibt sehr klare Beweise dafür, dass gegen Barschel in Genf Gewalt angewendet worden ist.

Da sind sich die Experten wirklich einig?Baentsch: Ganz und gar. Sie stützen sich auf Mediziner und auf Giftexperten, die Toxikologen. Die Kriminalisten selber haben handfeste Beweise dafür erbracht, dass Barschel umgebracht wurde. Er kann das Gift nicht selbst genommen haben, weil das Opfer bei der Zuführung des tödlichen Cyklobarbital schon bewusstlos war. Das weist der Züricher Toxikologe Hans Brandenberger einwandfrei nach.

Sie behaupten, Barschel musste sterben, weil er am nächsten Tag in Kiel Geheimwissen preisgeben wollte. Was konnte er denn auspacken?Baentsch: Barschel hatte als Ministerpräsident und früherer Innenminister seines Landes sehr intime Kenntnisse über verbotenen Waffenhandel. Der lief über Schleswig-Holstein und wurde von deutschen Geheimdiensten gedeckt. Das wusste Barschel - auch über seinen engen Vertrauten, den Staatssekretär Hans-Joachim Knack. Dieser Waffenhandel wird exakt beschrieben von dem Buchautor und israelischen Agenten Victor Ostrovsky in »Geheimakte Mossad«. Dort wird im übrigen eine enge Verbindung des israelischen und des deutschen Geheimdienstes bestätigt. Der Mossad hatte ein Interesse daran, Waffen in den Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988 zu schleusen. Die USA und Israel wollten, dass dieser Krieg möglichst lange andauerte und einen hohen Blutzoll forderte.

Wieso dieser wahnwitzige Umweg ausgerechnet über Italien nach Nord-Deutschland? Baentsch: Der direkte Weg wäre zu auffällig gewesen. Auch die Amerikaner konnten und wollten es sich nicht leisten, diesen Krieg direkt zu beliefern. Man brauchte einen Stellvertreter - oder besser: einen Deppen. Das waren die Deutschen. Aktuell gibt es in Berlin zwei Untersuchungsausschüsse, die sich damit befassen, wie Deutschland in illegale Verschleppungen der Amerikaner verstrickt sein könnte.

Wie kam Kiel ins Spiel?Baentsch: Die Route sollte ursprünglich über Dänemark laufen. Dort hatten die Gewerkschaften aber Wind davon bekommen und drohten mit Streik. Daraufhin wurden schleswig-holsteinische Häfen benutzt.

Wusste Barschel Bescheid, weil er mitgemacht hat?Baentsch: Barschel wollte diese Machenschaften unterbinden. Darauf wurde beschlossen, ihn von der Bühne zu räumen und durch jemanden zu ersetzen, der willfähriger war.

Kennen Sie den Mörder?Baentsch: Den Täter kann ich nicht benennen. Mir ist vorgehalten worden, dass ich dem Mörder nicht gleich Handschellen angelegt habe. Das kann nicht meine Aufgabe sein. Ich habe immerhin den Täterkreis eingeengt. Ich bin überzeugt, dass Barschel nicht von Deutschen umgebracht wurde, sondern dass es ein internationales Killerkommando war. Darauf deutet auch ein Bekennerbrief, den ich in meinem Buch veröffentliche. Ich sage nicht, dass dieser Brief von dem Mörder selbst geschrieben wurde. Aber er kann durchaus von einem geschrieben worden sein, der zu dem Killerkommando gehört hat. Die Plausibilität und Seriosität dieses Briefes ist wissenschaftlich bestätigt.

Die Witwe Barschel fordert, dass der Fall neu aufgerollt wird. Welche Chancen hat das?Baentsch: Das müsste aufgrund der Fakten, die mein Buch erstmals präsentiert, geschehen. Ich zweifle aber daran, denn den Staatsanwälten fehlt es an Unabhängigkeit. Sie sind weisungsgebunden. Je politisch brisanter ein Fall ist, desto ohnmächtiger sind sie. Meine Forderung lautet: Die Beweise, die es gibt und bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck vorliegen, öffentlich zu machen.

Artikel vom 21.11.2006