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Zwischen Sparkurs und Service

Neuer Telekom-Chef soll Niedergang der Festnetzsparte T-Com stoppen

Bonn (dpa/Reuters). Der neue Telekom-Chef René Obermann will mit Sparmaßnahmen und besserem Service den Niedergang des deutschen Festnetzgeschäfts stoppen.

Der bisherige Chef der Mobilfunksparte T-Mobile wurde gestern für fünf Jahre an die Konzernspitze berufen. Obermann deutete an, dass ohne eine Wende weitere Arbeitsplätze in Gefahr seien. Auch ein Vorstandsumbau soll laut Telekom-Kreisen bevorstehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wünschte Obermann »viel Erfolg«. Der Bund - mit knapp einem Drittel wichtigster Aktionär - soll die Ablösung von Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke maßgeblich betrieben haben. Berlin hofft auf einen steigenden Aktienkurs, um weitere Telekom-Papiere zu verkaufen.
Hauptaufgabe des 43-jährigen Obermann wird sein, die mit einem massiven Kundenabfluss kämpfende Festnetzsparte T-Com wieder auf den Wachstumspfad zu bringen. Allein seit Jahresbeginn wechselten 1,5 Millionen Kunden zur Konkurrenz. Der Abfluss hatte einen Gewinneinbruch zur Folge und zwang Ricke im Sommer zur Senkung der Prognosen für 2006 und 2007. Mit neuen Bündeltarifen will die Telekom seit Herbst den Schwund stoppen. Dies kam allerdings nach Experten-Einschätzung zu spät. Einen neuen T-Mobile-Chef gibt es unterdessen laut konzernnahen Kreisen noch nicht.
»Wir müssen diesen schwierigen Spagat zwischen einem Sparkurs, bei dem wir jeden Cent zwei Mal umdrehen, bevor wir ihn ausgeben, und einer Servicekultur mit hoch motivierten Menschen hinbekommen«, sagte Obermann in Bonn. Nur dann werde es zufriedene Kunden und nachhaltig gute Renditen geben. »Nur dann können wir vielen Menschen im Unternehmen langfristige Entwicklungs- und Beschäftigungsperspektiven sichern, die wir uns alle, alle wünschen.«
Bei der Telekom läuft derzeit ein Abbau von mehr als 32000 Stellen. Weitere massive Streichungen werden nicht ausgeschlossen, weil das Festnetzgeschäft nach wie vor schnell schrumpft und neue Technologien weniger Beschäftigte erfordern. Zuletzt wurden 45000 Service-Mitarbeiter in einer neuen Einheit gebündelt. Die Gewerkschaften befürchten, dass dies ein Schritt zum Stellenabbau ist. Die Telekom hat noch etwa 160000 Beschäftigte in Deutschland.
Ein Sprecher des Bundesfinanzminnisteriums sagte, der Bund habe keinen Druck ausgeübt. Es habe aber eine enge Abstimmung mit Zumwinkel gegeben. Der Bund und die bundeseigene KfW Bankengruppe halten noch 31,7 Prozent an der Telekom. Die Bundesregierung hoffe auf eine schnelle Lösung der Probleme. Im Konzernumfeld hieß es: »Ziel ist es, den Aktienkurs über die Marke von 17 Euro zu hieven, so dass sich der Bund möglichst schnell im nächsten Jahr von seinen Aktien trennen kann.«
Nach einem »Handelsblatt«-Bericht werden auch Personalvorstand Heinz Klinkhammer und Festnetzchef Walter Raizner das Unternehmen verlassen. Klinkhammer werde sein Amt zum Jahresende niederlegen, berichtete das Blatt unter Berufung auf Unternehmenskreise. Der 60-jährige sei amtsmüde. Als seinen Nachfolger habe er den Personalchef der Festnetzsparte T-Com und Geschäftsführer der Telekom-Beschäftigungsgesellschaft Vivento, Dietmar Welslau, vorgeschlagen. Festnetzchef Raizner sei ebenso dabei, sich einen neuen Posten zu suchen, nachdem ihm Kai-Uwe Ricke die Verantwortung für den Vertrieb und die Netztechnik entzogen habe.

Artikel vom 14.11.2006