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Diese »Bottichbieger« sind Weltklasse

Mieles neue Vorfertigung für Geschirrspüler läuft auf Hochtouren - 80 Millionen-Investition

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Vom Blech bis zum Bottich braucht es zehn Stationen. Wie von Geisterhand bewegt sind die Edelstahlgefäße in der gigantischen Halle unterwegs, hängen an Bändern, werden von Robotern geschwenkt. Das Herzstück der neuen Spülraumfertigung für Geschirrspüler presst mit 33 Tonnen Druck, ist zum Patent angemeldet und sichert nach Auskunft von Miele-Werksleiter Jürgen Bergmann den Standort.

Insgesamt 80 Millionen Euro hat Miele an der Brüggemann-Straße in Bielefeld in eine Produktion investiert, die weltweit einzigartig ist und den Traditionsstandort sichert und wettbewerbsfähig hält. Die neuen Verfahren, unterstreicht Bergmann, sind nicht nur technologisch absolute Spitze, sondern sorgen auch dafür, dass Miele dank optimierter und günstigerer Produktionsprozesse fortan preisaggressiver in den Wettbewerb einsteigen kann.
Insgesamt 600 000 Geschirrspüler entstehen in diesem Jahr in Bielefeld. Der erste Spüler wurde 1929 gebaut. Die Geräte vom Teuto sind überall auf dem Globus begehrt, werden in mehr als 500 Varianten für jede Nutzungs- und Spannungsart hergestellt, 3000 an jedem Werktag in zwei Schichten. Sollte die Nachfrage weiter so erfreulich steigen, ist Prokurist Heinz-Jürgen Dickenbrok optimistisch: »Wir können noch viel mehr, haben noch echte Reserven.«
Technologisch Vorreiter ist Miele nicht nur mit seinen Geräten neuester Generation. Ebenso weit vorn ist das Team in Bielefeld laut Bergmann bei der Entwicklung des Fertigungsprozesses gewesen. Roboter, Falz- und Biegetechnik bis zur einzigartigen zum Patent angemeldeten Lösung, fünf Seiten des Bottichs unter Hochdruck in einem einzigen Verfahrensschritt zu einem Behälter zu formen, der obendrein noch wesentlich stabiler und mit weniger Bauteilen zu fixieren ist als bislang, macht die Miele-Techniker ziemlich stolz. Zugegeben, die Grundidee des Verformens machen sich auch Fahrzeugbauer zu Nutze. Inzwischen, freut man sich in Bielefeld, könnten die Autobauer aber etwas von den »Bottichbiegern« lernen.
Das Herzstück der neuen Fertigung, die allein 480 Menschen in zwei Schichten im Bereich Geschirrspüler Arbeit gibt, bildet auch das Zentrum des neu zugeschnittenen Produktionsbereichs. Der ist nach Inbetriebnahme der ersten Bottichstraße 2001 inzwischen fast komplett auf die Ostseite der Schildescher Straße gewandert. Die einst viel frequentierte Frachtbrücke für Materialtransport wird kaum noch genutzt. Bergmann: »Die Logistik konnte wesentlich optimiert werden.« Mehr noch: Endgültiges Ziel der Werksstrategen ist es, auch die letzte verbliebene Montage von Haushaltsspülern in die neue 12 000 Quadratmeter große Halle zu verlegen, dafür die letzten Teile der Gewerbegeräte (Krankenhaus, Hotel, Labor) in den Altstandort des Werks zu bringen und dort zu optimieren. Danach, freut sich Bergmann, ist auch dieser Großgeräte-Teil um so zukunftssicherer. Schließlich wachsen auch hier permanent die Anforderungen an Kompetenz, Vielfalt und Sortimentstiefe.
In weniger als fünf Jahren ist in der einst imposanten, weil noch leeren Halle eine komplette Fertigungstechnologie entstanden. Nach dem Umformen folgen Stanzen und Komplettieren, die Einschweißen von Funktionsteilen und Anbringung von Bitumen-Dämmmatten. Und da ist Miele ganz und gar konventionell: Ohne Aufschmelzöfen bei 150 Grad geht es nicht. Die fertigen Geräte gehen per Straßentransport nach Gütersloh, dann vom Warenverteilzentrum zu mehr als 75 Prozent in den weltweiten Export. Nach Gütersloh rollen übrigens nicht nur die mehr als 600 000 Spülmadschinen, sondern auch mehr als 1,3 Millionen Staubsauger. Auch auf diesem Gebiet bricht das Werk Bielefeld mit seinen insgesamt 1800 Mitarbeiter immer wieder Rekorde. Dankbar sind Jürgen Bergmann und Heinz-Jürgen Dickenbrok einem besonderen Ringtausch: Ein Grundstückstausch verschiedener Unternehmen im Viertel hat überhaupt erst ermöglicht, dass Miele auch in Zukunft weiter in Citynähe produzieren kann.

Artikel vom 15.11.2006