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Raum-Ansichten, die
Rätsel aufgeben

Bielefelderin unter den besten Nachwuchsfotografen

Von Hendrik Uffmann
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Irgendwie vertraut und doch fremd, zunächst einfach, und auf den zweiten Blick höchst komplex - so wirken die Bilder von Irina Jansen auf den Betrachter. Mit ihrer Diplom-Arbeit war die junge Bielefelder Fotografin jetzt bei dem bundesweiten Wettbewerb »Gute Aussichten« erfolgreich.

88 Kandidaten kamen für die Jury in die engere Wahl, am Ende suchten die Mitglieder neun Nachwuchsfotografen aus - darunter die 27-jährige Irina Jansen mit ihrem Projekt »Bild_Raum«.
»Vielleicht haben meine Bilder der Jury auch gefallen, weil sie eine derzeitigen Entwicklung in der Fotografie aufnehmen«, sagt Irina Jansen. Motor dieser Entwicklung ist die digitale Technik, die fast unbegrenzte Möglichkeiten bietet. Ein Bild ist somit längst nicht mehr nur Abbild der Realität, sondern im Fall der 27-Jährigen eine Bildmontage - ohne, dass sie auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist.
Über Monate hinweg fotografierte Irina Jansen in der Fachhochschule, im alten Gerichtsgebäude, in der Stadthalle sowie der Oetkerhalle. Bilder von Räumen nahm sie dort auf, immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven, zum Teil aus bis zu 150 Positionen. Am Computer setzte sie dann mehrere Motive zusammen. Entstanden sind Raum-Ansichten, die so nicht existieren - und doch bekannt erscheinen. »Die Bilder haben einen Rätselcharakter. Der Betrachter bleibt daran hängen, sie beschäftigen ihn«, erklärt die Fotografin.
Für sie selbst liege dabei der Reiz darin, nicht nur etwas abzubilden. »Es ist spannend, etwas neu zu schaffen, wie bei der Malerei.« Dabei beziehe sich ihr Projekt auch darauf, dass Manipulation von Bildern heutzutage fast überall vorkommt.
Die technische Perfektion der Bilder, die in der Größe von 80 mal 120 Zentimeter Größe mit einem speziellen Laser-Belichter auf Fotopapier belichtet wurden, habe sie bewusst nicht bis ins letzte Detail betrieben. »Es gibt noch Anhaltspunkte, anhand deren der Betrachter den Prozess der Montage verfolgen kann«, sagt Irina Jansen.
Mehr als ein halbes Jahr lang hat sie an den insgesamt sechs Fotos für ihre Diplom-Arbeit gearbeitet, etwa die Hälfte der Zeit am Computer. Doch immer wieder mussten sie zwischendurch auch neue Aufnahmen machen, um die Perspektiven angleichen zu können. Manchmal nur, um die Atmosphäre zu verändern, etwa durch einen anderen Fußbodenbelag oder Vorhänge vor den Fenstern, die sie nachträglich einsetzte. Alleine in einem Raum mit der Kamera mache ihr die Fotografie am meisten Spaß. »Dann kann ich wirklich abschalten und die Arbeit genießen.«
Geboren wurde Irina Jansen in Solingen, aufgewachsen ist sie in Paderborn. Ihre erste Kamera bekam sie mit 13 Jahren, »eine Nikon EM«, erinnert sie sich. Über eine Zwischenstation in Berlin kam sie zum Studium nach Bielefeld. Nach ihrem Diplom im Februar bei den beiden FH-Professoren Karl Martin Holzhäuser und Karl Müller hat sie sich nun für einen weiteren zweijährigen Master-Studiengang entschieden. Und anschließend könne sie sich gut vorstellen, Architektur zu fotografieren. »So etwas wie Kunst am Bau, das würde mich interessieren.«

Artikel vom 15.11.2006