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Heinrich Heine
und seine Zeit

Kompendium aus Paderborn

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WB). 150 Jahre nach dem Tode Heinrich Heines ist die Literatur über den Romantiker und Vormärzdichter schier unübersehbar. Dennoch haben zwei Autoren gewagt, die Heine-Rezeption aufzuarbeiten.
Zeitgenössisches Porträt von Heinrich Heine.

Am Heine-Geburtstag (13. Dezember) wird der erste Band des dreiteiligen Kompendiums »Heine und die Nachwelt« in seiner Geburtsstadt Düsseldorf vorgestellt. Er beinhaltet die Wirkungsgeschichte seiner Texte bis zum Jahr 1906. Die drei Teilbände umfassen jeweils fünf Jahrzehnte der Heine-Rezeption. Herausgeber sind der Paderborner Literaturwissenschaftler Hartmut Steinecke und sein Koautor Dietmar Goltschnigg. »Während Heinrich Heine im Ausland von Beginn an als Autor der Weltliteratur gerühmt wurde, blieb er in Deutschland und Österreich lange Zeit - bis in die 1980er Jahre - umstritten«, heißt es in der Vorankündigung des Erich-Schmidt-Verlags (Berlin). Er sei einerseits als »unsterblicher Liederdichter« und »Freiheitssänger« gefeiert, anderererseits als Deutschenhasser geschmäht worden.
Schon aus den ersten 50 Jahren nach Heines Tod lassen sich zahlreiche schriftliche Reaktionen und Bezüge auf seine Verse nachweisen. Steinecke und Goltschnigg haben etwa 500 Texte gesichtet und ausgewertet und 145 von ihnen in ihren ersten Band aufgenommen. Die zeitgenössischen Dichterkollegen und Rezensenten gingen mit dem jüdischen »Vormärz-Dichter«, der die letzten Lebensjahre in Paris verbrachte, überwiegend wenig zimperlich um. Für sie war Heine ein undeutscher, preußenfeindlicher Nestbeschmutzer. Hoffmann von Fallersleben, Dichter des Deutschland-Liedes, widmete ihm posthum folgende Gedichtzeilen: »Frecher hat noch nie ein Dichter/ Seinen Dichterdienst gekündigt, / An Geschmack, an Sitt' und Anstand / Keiner sich wie du versündigt.«
Ein beredtes Zeugnis von der ambivalenten Nachwirkung der Heine-Schriften liefert der Denkmalstreit der Jahre 1887/88 in seiner Geburtsstadt Düsseldorf. Trotz prominenter Unterstützung - etwa durch die habsburgische Kaiserin Elisabeth - meldeten sich zunehmend lautstark die Gegner des Projekts zu Wort, wie Steinecke ausführt. »Sie kämpften gegen die 'Schandsäule« im Namen des Deutschtums und des Pariotismus« und »prangerten die 'sittliche Unmöglichkeit' an, den Juden und den Verfasser frivoler, schamloser Poesie zu ehren.« Der Düsseldorfer Stadtrat befürwortete zwar bei Stimmengleichheit von elf zu elf das Projekt, zu seiner Umsetzung kam es nicht mehr.
Natürlich aber gab es auch Heine-Bewunderer. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Friedrich Nietzsche und Rainer Maria Rilke, der den Literaturfreunden seine Verse ans Herz legte: »Leicht gingen dann dem deutschen Michel die blauen Augen endlich auf.« Der Kritiker Alfred Kerr zählte Heine sogar zu den »großen vaterländischen Deutschen, der vor dem Weib Germania nicht dastand als Gesangsvereinsritter, sondern sie schlug und küsste und nicht von ihr lassen konnte.«

Artikel vom 23.11.2006