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Irak-Politik der USA
steht vor Kurswechsel

Blair drängt Bush zu Kooperation mit Syrien und Iran

Washington (dpa). Wenige Tage nach der Wahlschlappe der Republikaner in den USA bahnt sich ein Kurswechsel in der bisherigen Irak-Politik an.

Sowohl die US-Militärführung im Irak als auch der jetzt von den Demokraten beherrschte Kongress suchten nach neuen Lösungen, berichteten die US-Medien am Samstag übereinstimmend. Danach solle der irakischen Führung unter anderem mit einer Verlegung von Truppen aus Kampfzonen gedroht werden, falls sie bestimmte Zieldaten im politischen Prozess nicht erreiche.
Bundespräsident Horst Köhler forderte in einem Gespräch mit der »Frankfurter Rundschau« vom Samstag auch die Europäer zu mehr Engagement im Irak auf. Die Folgen des Irakkriegs seien nicht nur ein Problem der Amerikaner, sagte Köhler. Die Europäer könnten aus eigenem Interesse nicht zulassen, »dass die Region im Chaos versinkt«. Europa müsse im Irak »Farbe bekennen«.
US-Generalstabschef Peter Pace hat nach eigenen Worten bereits mit seinen führenden Generälen eine Überprüfung begonnen, welche Änderungen im Irak-Einsatz möglicherweise nötig seien. Zunächst müsse man sich über die wirklichen Ziele im Irak klar werden und feststellen, »was funktioniert, was nicht funktioniert (...) und was wir an unserer Vorgehensweise ändern sollten«, sagte Pace.
US-Präsident George W. Bush machte in seiner wöchentlichen Radioansprache an die Nation jedoch klar, dass es auch nach der Kongresswahl keinen sofortigen Truppenabzug aus dem Irak geben werde. Der Irak sei die zentrale Front im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Bush am Samstag. Die Feinde der USA sollten nicht die Funktionsweise der amerikanischen Demokratie mit einer fehlenden Entschlossenheit der USA verwechseln, sagte der Präsident unter Anspielung auf die Wahlniederlage der Republikaner.
Der neue Verteidigungsminister Robert Gates solle eine neue Perspektive in die Irak-Strategie einbringen, damit die USA am Ende die Oberhand behielten. Außerdem warte er auf die Ideen der Demokraten, wie die Truppen am besten unterstützt werden könnten, sagte Bush.
Nach dem Wahlsieg der Demokraten werde im Kongress die Auffassung immer stärker, dass der irakischen Führung klare Zielvorgaben und Fristen für das Erreichen bestimmter Ziele im politischen Prozess gesetzt werden wollten, schreibt die »Los Angeles Times«. Danach solle auch mit einer Umgruppierung von Truppen gedroht werden, falls diese Zielvorgaben nicht erreicht werden.
Die US-Truppen sollten künftig außerdem weniger Kampfeinsätze leisten und dafür mehr eine beratende Rolle spielen. Darüber hinaus solle eine diplomatische Offensive die Nachbarländer des Iraks zu größerer Unterstützung bringen. Eingeschlossen seien die bisherigen Feinde der USA, Syrien und der Iran.
Australien und Großbritannien sind sich nach Angaben des australischen Premierministers John Howard einig, dass ein Abzug ihrer Truppen aus dem Irak derzeit nicht absehbar ist. Howard sagte in Canberra, er habe mit seinem britischen Amtskollegen Tony Blair am Telefon über die Lage im Irak gesprochen. Wie lange der Einsatz dort dauern werde, könne man derzeit nicht sagen. »Aber er wird noch lange Zeit weitergehen.«
Blair soll bei einem Telefongespräch mit Bush darauf bestanden, »die Bemühungen um Frieden zu regionalisieren und den Iran und Syrien - die beschuldigt werden, Aufständische zu unterstützen - in jedwede Lösung mit einzubeziehen«, berichtete die Londoner Sonntagszeitung »The Observer«.
Blair wird morgen der vom früheren US-Außenminister James Baker geleiteten Irak-Studiengruppe Rede und Antwort stehen.

Artikel vom 13.11.2006