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»Arminius besiegte die Römer in Lippe«

NRW-Ministerium: Kalkriese als Ort der Varus-Schlacht muss infrage gestellt werden

Von Ernst-Wilhelm Pape
Detmold (WB). Es gibt immer mehr Hinweise, dass die legendäre Varus-Schlacht im Jahr 9 nach Christus nicht in Kalkriese bei Osnabrück in Niedersachsen stattgefunden hat.

Nach Meinung von Dr. Thomas Otten (40), Leiter des Referates Bodendenkmalschutz und Bodendenkmalpflege beim nordrhein-westfälischen Ministerium für Bauen und Verkehr, könnte eine Überprüfung der Münzfunde in Verbindung mit den neuen Ausgrabungen dazu führen, dass die These von Kalkriese als Ort der Varus-Schlacht überdacht werden muss. »Die bisher favorisierte These von Kalkriese als Ort der Varus-Schlacht muss zumindest infrage gestellt werden«, sagte Otten am Freitag dieser Zeitung.
Wie berichtet, sind in Kalkriese so genannte römische Spitzgräben entdeckt worden, die eindeutig auf ein Lager der Römer und keinesfalls auf einen Hinterhalt der Germanen hinweisen. Die Varus-Schlacht hat große historische Bedeutung. Der Cheruskerfürst Arminius (Hermann) hatte drei Legionen des römischen Staathalters Varus in einen Hinterhalt gelockt und besiegt. Mit dieser Niederlage scheiterten die Eroberung Germanien und seine Eingliederung in das römische Weltreich. Hermann der Cherusker wurde zum Mythos, an den das 1875 eingeweihte Hermannsdenkmal in Detmold erinnert.
Auch für den Geschäftsführer des Vereins Arminiusforschung im lippischen Lage, Wolfgang Lippek, gibt es keinen wissenschaftlich begründeten Beweis für die »Kalkrieser These«. Lippek hat den NRW-Minister für Bauen und Verkehr, Oliver Wittke (CDU), aufgefordert, den wissenschaftlichen Stand überprüfen zu lassen. Das Thema Varus-Schlacht sei international bekannt, meint Lippek im Hinblick auf die für das Jahr 2009 geplanten Feierlichkeiten zum Jubiläum »2000 Jahre Varus-Schlacht«. »Es wäre ein großer Verdienst, wenn es Ihnen gelänge, für Nordrhein-Westfalen eine Schlacht zu gewinnen, das heißt die berühmteste Arminius-Schlacht für Ostwestfalen-Lippe zurückzugewinnen, schrieb Lippek an den Minister.«
Viele Historiker und Wissenschaftler befassen sich drei Jahre vor dem Jubiläum zunehmend kritisch mit der Kalkriese-These. Es stehe mit absoluter Sicherheit fest, dass die Varus-Schlacht im Lipperland getobt habe, sagte Dr. Peter Glüsing (70). Glüsing war bis zu seiner Pensionierung Akademischer Oberrat am Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Münster.
Nach Angaben von Dr. Peter Kehne, Althistoriker der Universität Hannover, muss das ausgegrabene Schlachtfeld in Kalkriese in die Zeit 15 und 16 nach Christus eingeordnet werden. Die Römer hätten hier bei Rachefeldzügen unter Germanicus ein Lager aufgeschlagen und auch befestigt. Kehne: »Es gibt eindeutige bisher noch nicht veröffentlichte Belege, die beweisen, dass Kalkriese nicht Ort der Varus-Schlacht gewesen sein kann. Ich werde diese Belege rechtzeitig vor den Jubiläumsfeierlichkeiten vorlegen.«
Die Chefarchäologin der Ausgrabungsstätte Kalkriese, Susanne Wilbers-Rost, müsse endlich aufhören die Tatsachen zu verdrehen, sagte Kehne. Es könne sogar sein, dass es sich in Kalkriese lediglich um einen kleinen Kampfplatz handele, wo nur ein Tages- oder Nachtgefecht stattgefunden habe. Museum und Ausgrabungspark in Kalkriese dienten lediglich kommerziellen Zwecken und dem Fremdenverkehr. Es sei an der Zeit, dass hier die Hinweisschilder abgenommen und der Titel »Kalkriese Ort der Varus-Schlacht« abgelegt werde, forderte Kehne.

Artikel vom 11.11.2006