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Stromkunden zahlen doppelt

11 Milliarden Mehrkosten für Windparks auf See tragen die Verbraucher

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Die elf Milliarden Euro teure Verkabelung von 33 Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee sollen die deutschen Stromkunden bezahlen. Anders als bei Kraftwerken und Windrädern an Land müssen die Netzbetreiber die Anschlusskosten übernehmen. Schon heute beinhaltet der Stromtarif zu 36 Prozent Netzkosten.

Ende Oktober verständigte sich die große Koalition darauf, den stockenden Bau von Windparks vor der Küste per Energiewirtschaftsgesetz voran zu bringen. Weiteres regelt ein »Investitionsplanungsbeschleunigungsgestz«.
Unter anderem sollen 30 Kilometer nordwestlich von Helgoland 250 Windräder bei bis zu 40 Metern Wassertiefe installiert werden. Seit langem projektiert sind auch 458 Anlagen auf dem Riffgrund 45 Kilometer nordwestlich von Borkum sowie 402 Windräder 90 Kilometer westlich vor Sylt. Nur neun der 33 angemeldeten Projekte liegen innerhalb der Zwölfmeilenzone. Wegen technischer Probleme mit bis zu 15 Meter hohen Wellen, aber auch exorbitanter Kosten für die Verkabelung ist Deutschland international ins Hintertreffen gelangt. Britische und niederländische Offshore-Parks stehen direkt an der Küste.
Bisher müssen Betreiber etwa von Gas-, Kohle- oder Atomkraftkraftwerken sowie Windparks im Binnenland die Kosten für die Verkabelung selbst tragen. Die Netzanbindung macht nach Angaben der Planer 30 Prozent der gesamten Investition in eine Anlage im offenen Meer aus.
Das neue Gesetz schreibt vor, dass die Netzbetreiber - das sind vor allem EON, RWE, Vattenfall und EnBW - die Kabel auf dem Meeresgrund sowie bis zu 20 Kilometer landeinwärts legen müssen. Außerdem ist vorgesehen, dass diese Windstromleitungen an Land mit Rücksicht auf die Natur unterirdisch verbaut werden, was sechsmal so teuer ist. Ökologen hatten verlangt, das gesamte deutsche Hochspannungsnetz unter die Erde zu verlegen, um die Akzeptanz für Windräder nicht zu gefährden.
Die Kosten für die Seekabel würden auf jeden Fall an die Verbraucher weitergereicht, bestätigte auch Christian Schneller, Sprecher der EON Netz GmbH. Noch fehle es an einem Gesamtkonzept, um das Höchstspannungsnetz mit 380 000 Volt am Meeresboden und im Küstenbereich zu verlegen. Die Aufgabe sei technisch anspruchsvoll. Der Gleichstrom aus dem Meer werde über große Umspannwerke mit Wechselstromrichtern ins Netz eingespeist.
Der gemeinsame Beschluss der Koalitionspartner steht im Gegensatz zu Beteuerungen von Politikern sowohl aus der Union als auch der SPD, alles politisch Mögliche zu tun, um die Stromrechnung für deutsche Verbraucher niedrig zu halten. »Hier wird neben dem Erneuerbare Energien-Gesetz klammheimlich ein zweiter Subventionstopf aufgemacht und im Energiewirtschaftsgesetz versteckt«, beklagt die ernergiepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gudrun Kopp aus Lage. Windkraftbetreiber genössen durch die Einspeisevergütung künftig nicht nur Garantiepreise für ihren Strom. Sie könnten die Stromkunden auch noch zu Finanzierung ihrer Infrastruktur heranziehen.
FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle hat einen Katalog von 31 Fragen an Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gerichtet. Darin wird auch um Auskunft darüber gebeten, weshalb Naturschutzgebiete an der Küste vor Hochspannungsleitungen bewahrt werden, Wohnsiedlungen im Inland aber nicht.
Begrüßt wird der Beschluss von Ökologie-Experten wie Franz Alt. Die große Koalition belaste mit den Netzbetreibern endlich die aus seiner Sicht »Richtigen«. Der frühere TV-Moderator und Bestsellerautor (»Das ökologische Wirtschaftswunder«) nennt »vor allem EON und Vattenfall, die ja auch fette Gewinnpolster haben«.
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Artikel vom 11.11.2006