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Zwangsehe zwingt Bush zur Bewegung

Wege zum Irak-Abzug in ersten Entwürfen erkennbar

Von Hans Dahne
Washington (dpa). In der neuen Zwangsehe mit den Demokraten schlägt Präsident George W. Bush neue Töne an.
Demokrat John Murtha verlangt auch neue Inhalte.

Wie die Realität für Bush nach der Wahlniederlage seiner Republikaner aussieht, führt bereits der einflussreiche demokratische Abgeordnete John Murtha vor. Es sei nicht genug, neue Gesichter in die Regierung zu bringen, man müsse auch eine neue Politik machen, beschied Murtha den Präsidenten.
Zwei Tage nach dem dramatischen Machtverlust des Weißen Hauses sehen Politiker wie Kommentatoren Aussicht auf Bewegung vor allem bei den Themen Irak, Einwanderung, Mindestlohn und Energie. Unversöhnlich scheinen dagegen noch die Fronten bei der Bereitstellung von Bundesmitteln für die Stammzellenforschung. Bush will dies mit seinem Veto verhindern.
Mit dem Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe sich die Tür für den größten Politikwechsel in der Irak-Politik geöffnet, meint das »Wall Street Journal«. Für Bush biete sich jetzt sogar eine sehr gesichtswahrende Lösung, sagt der demokratische Senator Joseph Biden. Biden spielt dabei auf die »Iraq Study Group« an, die nach den Wahlen Lösungsvorschläge vorlegen will, wie die USA aus dem Chaos im Irak herauskommen.
Mitglied dieser überparteilichen Gruppe ist auch der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates. Bislang drang nur wenig an die Öffentlichkeit. Danach will die Kommission unter anderem einen phasenweisen Rückzug aus dem Irak, Zieldaten für die Übergabe der Provinzen an die Regierung sowie direkte Gespräche mit Feinden wie dem Iran und Syrien über die Lage im Irak vorschlagen.
Bush hat bereits angekündigt, dass er die Vorschläge der Kommission sehr ernst nehmen werde. Die Demokraten glauben sowieso, dass sie die Öffentlichkeit nach ihrem überraschend deutlichen Wahlsieg für einen Kurswechsel im Irak auf ihrer Seite haben.
Nicht nur in Sachen Irak, sondern auch beim kontroversen Thema Einwanderung scheint eine Einigung möglich. Zwölf Millionen illegale Einwanderer leben in den USA. Ein Gesetz soll sie aus der Illegalität in die Legalität führen. Bislang blockten Hardliner in Bushs eigener Partei, weil ihnen unter anderem die Aussicht auf eine Staatsbürgerschaft viel zu weit ging.
Auch nach der Rückeroberung des Kongresses können die Demokraten aber nicht Politik nach Belieben machen. Der Präsident hat eine große Machtfülle, legt die Richtlinien unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik fest und kann Gesetzentwürfe mit seinem Veto verhindern.
Andererseits können auch die Demokraten die politischen Muskeln spielen lassen. Sie werden künftig mehr Ausschussvorsitzende stellen wie beispielsweise mit Biden den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses. Die Demokraten können mit ihrer Mehrheit im Senat Personalvorschläge von Bush blockieren. Sie können auch öffentliche Anhörungen anberaumen und dabei Regierungsmitarbeiter richtig »grillen«.

Artikel vom 10.11.2006