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Erst gewundert, dann getroffen

Armine Zuma nutzt Simunic' Aussetzer zu einem viel diskutierten Treffer

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Josip Simunic ist der Top-Kandidat auf den Titel »Mitarbeiter der Monats«. Allerdings nicht bei seinem Arbeitgeber Hertha BSC Berlin, sondern beim DSC Arminia. Simunic' Aussetzer vor dem Bielefelder Führungstor durch Sibusiso Zuma war die kurioseste Szene des elften Fußball-Bundesligaspieltags. Das 2:2-Endergebnis zwischen Arminia und Hertha geriet zur Nebensache.

So leicht wird Josip Simunic nie wieder einem Linienrichter sein Vertrauen schenken. Das steht seit Mittwochabend fest. Weil Schiedsrichterassistent Volker Wezel eine Abseitsstellung des Arminen Sibusiso Zuma erkannte, hob der Tübinger seine Fahne. Schiedsrichter Michael Kempter aber pfiff nicht. Er ließ weiterspielen, weil im Anschluss an Westermanns Kopfball Richtung Hertha-Hälfte in Dick van Burik ein Berliner zuletzt am Ball gewesen ist, ehe dann Zuma an die Kugel kam. Kempter: »Ich habe besser gestanden als mein Assistent und gesehen, dass der Ball von einem Berliner kam. Darum war es kein Abseits.«
Simunic kümmerte das nicht. Während sich der Berliner im Gefühl der sicheren Spielunterbrechung von Zuma wegdrehte, überlegte der DSC-Stürmer kurz und entschloss sich dann, den Ball sicherheitshalber erstmal in den Winkel zu schießen. Eine gute Entscheidung. Denn die Berliner Diskussionen mit Schieds- und Linienrichter, sie führten nicht zum Erfolg. Kempter blieb nach Rücksprache mit dem Assistenten seiner Meinung treu und erkannte den Treffer an. »Es war schon kurios. Ich habe mich gewundert, dass sich mein Gegenspieler plötzlich wegdrehte. Aber so hatte ich Zeit und Platz, mir den Ball richtig hinzulegen«, sagte Zuma, dessen Schuss das 1:0 bedeutete.
DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Strigel stufte den Treffer als »nicht korrekt« ein und begründete: »Bei einer Abseitsstellung ist der Zeitpunkt des Passes maßgeblich. Bei diesem stand der Spieler Zuma im Abseits. Durch den Kopfball von van Burik hat sich keine neue Spielsituation ergeben, da es sich nicht um ein gezieltes Abspiel gehandelt hat, sondern um einen Zweikampf.«
Falko Götz brachte für den Fauxpas seines Schützlings Josip Simunic trotzdem kein Verständnis auf. Er fand es »unfassbar, wie unkonzentriert wir in dieser Situation waren.« Noch deutlicher wurde Manager Dieter Hoeneß: »Es gibt eine klare Regel, die jeder Fußballer kennt: Bis der Schiedsrichter pfeift, spielt man weiter.«
Doch nicht nur, dass Hoeneß seinen Spieler rügte, er nahm den erst 23 Jahre alten Unparteiischen Kempter sogar in Schutz. Hoeneß: »Er hat das Recht, seinen Assistenten zu überstimmen. Und außerdem war die Entscheidung richtig.« Genau wie viele andere vermeintlich diskussionswürdige Entscheidungen auch. Zum Beispiel, dass Kempter weiterspielen ließ, als in der ersten Halbzeit Zuma im Strafraum zu Fall kam. Oder dass er Berlins Neuendorf Gelb zeigte, weil dieser in der zweiten Halbzeit als Einwechselspieler unerlaubt auf den Platz lief, um sich um einen verletzten Teamkollegen zu kümmern.
Kempters einziger Fehler war, dass er elf Sekunden zu früh abpfiff. Doch mal ehrlich: Gibt es wirklich jemanden, der Deutschlands jüngstem Bundesligaschiedsrichter nach dieser turbulenten Partie den verfrühten Feierabend nicht gegönnt hat?

Artikel vom 10.11.2006