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Milch bringt
Landwirt (52)
vor das Gericht

Antibiotika-Wartefrist vergessen

Von Jens Heinze
Brackwede (WB). Milch ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel für Alt und Jung und unterliegt bereits bei Abholung auf dem Bauernhof strengen Kontrollen. Werden Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz entdeckt, drohen dem Verursacher empfindliche Strafen. Wie schnell man sich in diesem Fall als Angeklagter vor Gericht wiederfinden kann, das weiß spätestens seit gestern ein Brackweder Landwirt.

Der 52-Jährige musste sich vor Amtsrichter Eckhard Krämer verantworten, weil er mit Antibiotika versetzte Milch in Umlauf gebracht hatte. Eine ganze Tankwagenladung von insgesamt 25 000 Litern war damit ungenießbar geworden. Tattag war der 10. August vergangenen Jahres, Verursacherin war eine Kuh, die vom 2. bis zum 5. August 2005 wegen einer Euterentzündung mit Antibiotika behandelt wurde. In diesem Fall, zitierte Richter Krämer aus dem Gesetz, gilt eine Wartefrist: Fünf Tage lang darf die behandelte Kuh zwar gemolken werden, doch die Milch muss weggeschüttet und darf nicht mit der von gesunden Kühen vermischt werden. Doch das genau hatte der Brackweder Landwirt getan: Einen Tag vor Ablauf der Fünf-Tages-Frist gab der 52-Jährige die Produktion aller seiner 50 Milchkühe an die Molkerei weiter.
Ursache dafür war offenbar Stress im Familienbetrieb. Auf dem 70 Hektar großen Hof fehlte im Sommer vergangenen Jahres für einige Tage die Ehefrau, Mann und Sohn mussten Vieh und Feld alleine versorgen. Denn normalerweise hätte der Landwirt wissen müssen, dass mit Antibiotika versetzte Milch angesichts der strengen Kontrollen für dieses wichtige Lebensmittel sofort auffällt.
Wie der 52-Jährige mit Jahrzehnte langer Berufserfahrung Amtsrichter Krämer berichtete, werde bereits bei Abholung per Tankwagen auf dem Hof eine Milchprobe gezogen. Gibt es nach Anlieferung in der Molkerei Beanstandungen, kann gezielt zurückverfolgt werden, von welchem Landwirt die Milch stammt.
Dann drohen dem Bauern, der mit dem aktuellen Literpreis gerade einmal seine Erzeugerkosten abdecken kann, empfindliche Einkommenseinbußen. Das wusste auch der 52-jährige: Dem Brackweder Landwirt waren im Jahr 2004, als es auf seinem Hof schon einmal einen Medikamentenvorfall beim Melken gegeben hatte, 2175 Euro Strafgeld vom Milcherlös abgezogen worden.
Dass der Angeklagte vor Gericht gestern mit dem »blauen Auge« davon kam, das Verfahren gegen ihn mit Zustimmung von Oberstaatsanwalt Eckhard Baade eingestellt wurde, das hat der Landwirt der eigenen Einsicht und Bielefelds Veterinäramtsleiter Hans-Helmut Jostmeyer zu verdanken. Letzterer bescheinigte, dass es sich beim Landwirt um einen »überaus sachkundigen Milcherzeuger« handele. Und der 52-Jährige selbst kennzeichnet mit Medikamenten behandelte Kühe nicht nur zweifach mit Plastikband an den Hinterläufen, sondern wartet künftig sieben statt der vorgeschriebenen fünf Tage, bevor er Milch von diesen Tieren wieder an die Molkerei abliefert.

Artikel vom 10.11.2006