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Deutsche zu oft beim Arzt

Praxisgebühr kann Ansturm nicht bremsen - montags Hochbetrieb

Berlin/Bielefeld (dpa/WB). Niemand geht häufiger zum Arzt als die Deutschen. 16,3 Mal suchte jeder Bundesbürger im Jahr 2004 eine Arztpraxis auf. Nordrhein-Westfalen liegt mit 16,1 Arztbesuchen pro Jahr leicht unter dem Bundesdurchschnitt.
Das geht aus einer im Auftrag der Gmünder Ersatzkasse (GEK) entstandenen Studie des Instituts für Sozialmedizin (ISEG) hervor. Damit liegt Deutschland der Studie zufolge vor Japan, der Slowakei und Ungarn weltweit an der Spitze. Der Leiter der Studie, Prof. Friedrich Wilhelm Schwartz, führte die hohe Zahl der Arztbesuche zum Teil auf die gestiegenen Zahl niedergelassener Ärzte zurück. Zwischen 1990 und 2004 nahm die Arztdichte um 40 Prozent zu. Derzeit sind etwa 130 000 niedergelassene Ärzte registriert.
Trotz der hohen Zahl von Arztbesuchen halten sich die Ausgaben für ambulante Versorgung in Deutschland mit 34,6 Milliarden Euro in Grenzen. Pro Kopf lag Deutschland im OECD-Vergleich im unteren Mittelfeld. Verteilt sind die Kosten jedoch sehr ungleich. Während auf 50 Prozent der Bundesbürger etwa elf Prozent der Behandlungskosten entfallen, verursachten zehn Prozent der Bevölkerung - zumeist im höheren Alter - 43 Prozent der Kosten. Allein ein Prozent der Versicherten verursachte 13 Prozent der Behandlungskosten.
Neun Prozent der Bundesbürger gingen 2004 gar nicht zum Arzt. Junge Frauen suchten doppelt so häufig eine Praxis auf wie junge Männer. Bei älteren Männern hingegen lagen die Behandlungskosten mit 890 Euro um 175 Euro über denen älterer Frauen.
Aus der Studie geht auch hervor, dass die Deutschen am Montag besonders häufig zum Arzt gehen. Während im Durchschnitt 4,8 Millionen Bürger pro Tag einen Arzt aufsuchten, waren es an Montagen 5,8 Millionen. Viele Deutsche scheuten am Wochenende den Gang zum Notarzt, weil sie lieber am Montag zu ihrem Hausarzt gingen. Andere hofften, dass leichtere Erkrankungen bis zum Montag wieder auskuriert sein würden, erklärte Gesundheitswissenschaftler Prof. Bernhard Badura von der Universität Bielefeld.
Zu den medizinischen Gründen für den Anstieg der Arztbesuche am Montag kämen nicht selten auch psychische Gründe. »Viele einsame Menschen nutzen den Arztbesuch am Montag als Ausgleich für fehlende soziale Kontakte«, sagte Badura.

Artikel vom 10.11.2006