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Protestwahl gegen Bush Ê- nun Suche nach Ausweg aus Irak

Republikaner sind sichtlich betroffen von herben Niederlagen in Serie

Von Laszlo Trankovits
Washington (dpa). Die amerikanischen Wähler haben US-Präsident George W. Bush und seinen Republikanern mehr als einen Denkzettel verpasst. Die Demokraten feierten dagegen den »Wind des Wandels«.

Zwar werden sie mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus und den Gewinnen im Senat die US-Politik nicht radikal verändern können - aber Bush wird, will er in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit nicht zur berühmten »lahmen Ente« werden, Kompromisse und Kooperation mit den Demokraten suchen müssen.
Demokraten wie Republikaner werteten den Wahlausgang auch als deutlichen Protest der Wähler gegen die Politik der Bush-Regierung und gegen die Korruption vor allem bei den Republikanern. Auch die eigene Parteibasis sei »tief enttäuscht« über die Bestechungsskandale, gestand der republikanische Senator John McCain in einem Interview. Die Amerikaner seien enttäuscht über den Irakkrieg, »ich bin auch enttäuscht«, sagte der Senator, sichtlich betroffen angesichts der vielen Wahlpleiten seiner Parteifreunde. »Wir brauchen eine parteiübergreifende Strategie für den Irak« forderte der mögliche Präsidentschaftskandidat 2008.
Die Sieger des Wahlabends ließen keinen Zweifel daran, dass »ein Kurswechsel im Irak« erste Priorität hat. Aber selbst der linksgerichtete Parteichef Howard Dean, im Unterschied zu vielen seiner Parteifreunde schon immer ein entschiedener Kriegsgegner, wollte von einem überhasteten Abzug nichts wissen - und schon gar nicht daran denken, dass ein Kongress Bush mit Haushaltskürzungen zum Abzug aus dem Irak zwingen könnte.
Die künftige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte jüngst davon gesprochen, dass die US-Truppen bis zum Ende 2007 abziehen sollten. Aber viele Demokraten sehen das ganz anders. Die Kongresswahl wird kaum einen echten Kurswechsel in der US-Außenpolitik bewirken. Dennoch wird sich in Washington wohl einiges verändern: »Die Zeit des Ein-Partei-Staates ist zu Ende«, meinte Senator Harry Reid.
Die Demokraten wollen strenge ethische Normen für den Kongress einführen, damit Korruption erschwert wird. Zudem werden sie die Erhöhung des Mindestlohns durchsetzen wollen. Bush muss wohl seinen Reformplan für die Sozialversicherung endgültig begraben, eine Fortsetzung der Steuergeschenke an die Reichen könnte bald der Vergangenheit angehören.
Strittig ist bei den Demokraten, ob mit einer Reihe neuer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, diesmal unter demokratischem Vorsitz, die Fehlleistungen und Skandale der Bush-Regierung nochmal aufgerollt werden sollen: Die Begründung des Irakkriegs, die fragwürdige Militär-Strategie und der Mangel eines realistischen Nachkriegsplans, die Skandale in Abu Ghraib und den CIA-Geheimgefängnissen, die Versäumnisse beim Hurrikan Katrina und manches andere mehr. Allerdings gibt es demokratische Stimmen, die vor einem rückwärts gewandten Aktionismus warnen.
Die Probleme für den politisch angeschlagenen und in jüngster Zeit etwas ratlos wirkenden George W. Bush sind mit der Kongresswahl noch größer geworden. Wenn es schlecht läuft, wird er die letzten zwei Jahren seiner Präsidentschaft kaum noch etwas bewegen können - und die US-Politik wird in einer Sackgasse der Verstrickung im Irak und der Tatenlosigkeit in der Welt stecken.

Artikel vom 09.11.2006