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»Aktienjahr 2007 wird anspruchsvoll«

Credit Suisse-Stratege Stefan Keitel bewertet vor allem den russischen Markt positiv

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Indien »fundamental damit langfristig hervorragend, aber kurzfristig etwas heiß gelaufen«. Thailand, Taiwan und andere asiatische Schwellenländer »dagegen in diesem Jahr eher flach«. So hört es sich an, wenn Stefan Keitel, Chefstratege der Credit Suisse in Deutschland, die Anlagemärkte dieser Welt seziert.
Stefan Keitel ist der Chefstratege der Credit Suisse in Deutschland. Foto: Bernhard Pierel

Im Klartext folgt daraus für den Anleger: Asiatische Papiere haben Nachholpotenzial. Dies gilt Keitel zufolge mittel- und langfristig auch für Japan, das »sich trotz der jüngsten leichten Enttäuschung über die aktuellen Wachstumsraten stark und nachhaltig zum Positiven gewendet hat«. Indien sei aus der Position des Geheimtipps, dessen Papiere zwar risikobehaftet, aber auch mit viel Phantasie für Kurssteigerungen nach oben verbunden sind, herausgetreten. Keitel glaubt sogar an eine im Vergleich zu den traditionellen Aktienregionen schlechtere Entwicklung -Êebenso wie im Falle der Länder Ungarn, Tschechien und Türkei. »Am positivsten bewerten wir im osteuropäischen Bereich Russland, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Staatsfinanzen«, sagt er.
Insgesamt würden sich die Schwellenländer, zu denen auch Brasilien und einige weitere Staaten Mittel- und Südamerikas gerechnet werden, auf hohem Niveau nach vorne entwickeln. Dies spiegle sich auch in den veränderten Weltindex-Zusammensetzungen. Daraus folge, dass viele an Benchmarks orientierte Anleger ihre Depots mit Indexwerten aus den Wachstumsregionen auffüllen müssen -Êund damit die Kurse der Indexwerte auch weiter beflügeln. Derzeit, so Keitel, sollten in einem global orientierten Aktiendepot etwa 15 Prozent aus Schwellenländern stammen.
Während die Credit Suisse zu Jahresbeginn 2005 eine deutliche Empfehlung zu Gunsten europäischer Aktienwerte abgab, die letztlich und insbesondere in Deutschland die Erwartungen noch übertrafen, hat das Schweizer Geldinstitut jetzt trotz erwarteter und mittlerweile erkennbarer konjunktureller Abschwächung die Anteile von US-Werten leicht erhöht. »Wenn die Wirtschaft in den USA stagniert, leiden darunter die Exportmächte wie etwa Japan und Deutschland deutlicher als die USA selbst«, erläutert Keitel. Andererseits seien die Aussichten für die Binnenkonjunkturen in diesen Ländern durchaus positiv. Keitel: »Im Augenblick haben wir deshalb mit Ausnahme unserer weiterhin positiven Sicht für Europa und hier insbesondere für Euro-Land keine klaren regionalen Präferenzen.« In normalen Zeiten würden US-Aktien mit einem Anteil von 25 bis 30 Prozent gewichtet.
Was die Branchen betrifft, so sieht die Credit Suisse ein Wiedererstarken des inzwischen deutlich unterbewerteten Telekom-Sektors und von Teilbereichen aus der Technologie. Übergewichtet seien in den Portefolios der Bank weiter Energie sowie der Komplex Pharma, Gesundheit und Biotechnologie. Dagegen habe man, so Keitel, nach einem Höhenflug die Finanzwerte (Banken, Versicherungen) von »Kaufen« auf »Neutral« abgestuft.
»Was die Aktienmärkte betrifft, so wird 2007 ein ähnlich anspruchsvolles Jahr wie 2006«, erklärte Keitel. Neben der Ungewissheit, wie sich die US-Konjunktur in 2007 entwickeln werde, drohe mittelfristig gerade von der US-Inflationsseite Ungemach. Diese Gefahr werde bislang von den Märkten noch deutlich unterschätzt. Deshalb sollten sich die Anleger trotz der positiven Erwartung für die nächsten sechs Monate nicht nur auf die Aktienmärkte stützen. Wie stets empfehle die Credit Suisse eine Streuung der Anlagen. Eine langfristig sinnvolle Ergänzung für ein breit aufgestelltes Portefolio sei Private Equity, die eigenkapitalwirksame Anlage in überwiegend mittelständischen Unternehmen mit zweistelliger Renditeerwartung. Dazu kämen Anlagen in Rohstoffe sowie Investments in Immobilien- und Schiffsbeteiligungen.
Die Credit Suisse betreibt in Deutschland heute 13 Geschäftsstellen. Leiter der Filiale Bielefeld ist Rolf Bedner.

Artikel vom 15.11.2006