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Vergangenheit aufarbeiten
In Adolf Hitlers Geburtsort Braunau geht man mit der Erblast gelassen um
Geschichte lässt sich nicht verdrängen, man muss sich ihr stellen. Dies gilt in Zentraleuropa vor allem in Städten, die mit dem Nationalsozialismus verbunden sind. Von Braunau bis Berlin, von Schwerin bis Auschwitz reicht die Liste der Orte, die mehr oder weniger stark mit den Gräueln jener Epoche in Verbindung gebracht werden.
Das Erbe dieser Zeit manifestiert sich in Baudenkmälern wie dem Berliner Flughafen Tempelhof oder Kunstausstellungen wie der Werkschau von Arno Breker in Schwerin, die für kontroverse Diskussionen sorgte. Das Holocaust-Mahnmal im Herzen der deutschen Hauptstadt hat ebenfalls hitzige Debatten hervorgerufen -Êund die KZ-Gedenkstätten halten die Erinnerung an diese dunklen Jahre wach und mahnen, dass sich Ähnliches nie wiederholen darf.
Es gehört ein gutes Fingerspitzengefühl dazu, um das touristische Potenzial solcher Orte zu nutzen. Denn aktives Gedenken erfordert es eben auch, sich auf den Weg zu jenen Orten zu machen. Die österreichische Kleinstadt Braunau, im Innviertel an der Grenze zu Deutschland gelegen, wäre sicherlich nur ein x-beliebiger Ort im Innviertel, wäre es nicht der Geburtsort Adolf Hitlers. Am 20. April 1889 erblickte der spätere Diktator dort das Licht der Welt.
Im Braunau des Jahres 2006, dessen Stadtrat von der SPÖ dominiert wird, geht man mit dieser Erblast gelassen um -Êohne etwas zu verschleiern. Hitlers Geburtshaus liegt zentral im historischen Stadtkern. Im Stadtplan, den die Tourist-Information herausgibt, wird darauf hingewiesen, nicht jedoch am Gebäude selbst. Dort steht im Gegenteil auf dem Bürgersteig nur ein Mahnstein aus dem Granitsteinbruch des KZ Mauthausen. Jeglicher Hinweis auf Hitler fehlt. Im Haus selbst befindet sich eine Werkstatt der Lebenshilfe.
Im Rathaus ist das Thema »Hitler« nicht den Touristikern, sondern dem Ordnungsamt unterstellt. Geräuschlos, aber effektiv sorgt man dafür, dass sich der Ort nicht als Treffpunkt unerwünschter Personen aus dem Rechtsaußen-Spektrum etablieren konnte.
Zu der Gelassenheit gehörte im Herbst 2006 auch, dass der deutsch-türkische Kabarettist Serdar Somuncu mit seinem Programm »Hitler-Kebap - Getrennte Rechnungen« auftreten konnte: Das Veranstaltungsplakat hing in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hitlers Geburtshaus. So gesehen hat Braunau mit Hitler weniger Probleme als das bayerische Wunsiedel mit seinem Stellvertreter in der NSdAP, Rudolf Heß, der dort begraben liegt.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit liegt zudem in den Händen des Braunauer Vereins für Zeitgeschichte.
Dieser achtet aber auch darauf, dass andere Aspekte und historische Begebenheiten der örtlichen Geschichte nicht zu kurz kommen. Und davon hat der Grenzort, dem bereits vor beinahe 750 Jahren die Stadtrechte verliehen wurden, durchaus einige zu bieten.
So wird dort auch des Nürnberger Buchhändlers und Verlegers Johann Philipp Palm gedacht, der in Braunau mehrere Tage eingekerkert war, bis er von den Franzosen am 26. August 1806 ermordet wurde.
Palm hatte das gegen Napoleon gerichtete Pamphlet »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung« veröffentlicht. Er gilt heute als eine Gallionsfigur der Pressefreiheit.
Untrennbar mit der Braunauer Geschichte verbunden ist auch das Schicksal der Donauschwaben, denen ein spezielles Museum gewidmet ist.
Schöne Kirchen mit zum Teil wertvoller Ausstattung, der hübsche Stadtplatz und die Reste alter Badeanlagen sind weitere Sehenswürdigkeiten einer Stadt, der man im Urlaub durchaus mal einen Tag widmen sollte.
Thomas Albertsenwww.braunau.at

Artikel vom 18.11.2006