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Bruno Ganz
ganz anders

Hitler-Mime wird Familienmensch

Leipzig (dpa). Acht Jahre nach seiner letzten Fernsehproduktion steht Bruno Ganz, hochgelobter Hitler-Darsteller im Kino-Ereignis »Der Untergang« von 2004, wieder in Deutschland vor der Kamera.
Nicole Heesters und Bruno Ganz als Ehepaar Schubert: eher komisch als tragisch. Foto: dpa

Noch bis zum 16. November dreht er bei Leipzig die deutsch-österreichische Koproduktion »Copacabana« (Regie: Xaver Schwarzenberger). »Es ist eine Geschichte, die in jeder Familie spielen könnte. Wir bringen den Alltag ins Fernsehen, mehr nicht«, sagt der 65-Jährige.
Als Herbert lädt er an der Seite von Nicole Heesters alias Maria Schubert die gesamte Familie nebst Anhang und Nachwuchs ins Wochenendhaus, um den 35. Hochzeitstag zu feiern - was nicht ohne Zwischenfälle verläuft. Der Spielfilm soll im Frühjahr 2007 in der ARD ausgestrahlt werden.
Warum hat er diese Rolle angenommen? »Weil es ganz und gar nicht Hitler ist, kein Einzelschicksal. Beim Lesen des Drehbuchs fühlte ich mich an ÝDie SommergästeÜ erinnert«, sagt Bruno Ganz. In dem Bühnenstück hatte er 1974 den Dichter Jakow Schalimow gespielt, ein Jahr später wurde es verfilmt. Ganz: »Es gibt viele Gründe für diese Rolle, nicht nur, um sich von Hitler zu erholen.« Die Hauptrolle in dem Bernd-Eichinger-Film holt ihn aber auch heute, zwei Jahre danach, noch ein. Er gehe gerne spazieren nach dem Drehtag, erzählt Ganz: »Und dann kommen Menschen auf mich zu und rufen ÝHeil HitlerÜ...«
Und warum entsagte er so lange der Mattscheibe? »Ganz einfach: Ich hatte über Jahre hinweg keine Angebote, nicht einmal schlechte. Jetzt habe ich mich schnell entschlossen und zugegriffen«, ergänzt der Schweizer.
Und nun sitzt er während einer Drehpause in der sächsischen Provinz, hinter ihm steht die österreichische Schauspielerin Erni Mangold und schmeichelt: »Jede Frau hätte gerne einen wie Bruno Ganz, der um sie kämpft.« Damit ist sie bei der aktuellen Produktion, die »eher komisch als tragisch« sei. Mit der Weisheit des Alters versucht Mangold als Oma Rita die Großfamilie zu bewahren, bevor sie plötzlich und unerwartet stirbt. Zu Grabe getragen wird sie mit dem Barry-Manilow-Klassiker »Copacabana« - jenem Lied, das sie das letzte Mal mit ihrem Mann getanzt hatte.

Artikel vom 09.11.2006