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Der Rückzug
nach 16 Jahren

Handballchef Wollmann dankt ab

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). 16 Jahre, so lange wie keiner seiner Amtsvorgänger, lenkte er als Vorsitzender die Geschicke des Handballkreises Bielefeld-Herford. Wenn Gunther Wollmann (73) am kommenden Montagabend sein Amt in jüngere Hände legt, endet eine Ära. Seine Nachfolge hat der pensionierte Polizeibeamte längst geregelt. Der ordentliche Kreistag im Fichtenhof soll den amtierenden »Vize« Thomas Boerscheper neu an die Spitze wählen.

»Ich übergebe ein absolut eingespieltes Team,« geht Gunther Wollmann leichten Herzens. Wobei: Von einem echten Abschied kann keine Rede sein. Seine Fachschaft wird der Mann vom VfB Fichte im Stadtsportbund wohl weiter repräsentieren. Und wer weiß: Sollte die Versammlung ihn zum Ehrenvorsitzenden bestimmen, womöglich gar mit Stimme, wird die Vorstandsriege auch weiterhin auf sein Knowhow zurückgreifen können. Eigentlich war der Stabwechsel schon vor fünf Jahren einge-stilt. Dieter Tiesmeier (Löhne/Obernbeck) sollte Wollmann ablösen, verstarb aber tragischerweise zwei Wochen vor seiner Wahl. So musste der einstige Feldhandball-Angreifer doch noch eine Legislaturperiode ranhängen.
Für ihn unvergessen: Als Gunther Wollmann 1990 den Vorsitz vom autoritär führenden Karl Harting übernahm, hatte er mit den Nebengeräuschen der vom Verband auferlegten »Zwangsehe« zu kämpfen. Harting war kein Freund des Zusammenschlusses gewesen. »Es war immer mein Bestreben, ein gutes Verhältnis zwischen Bielefeld und Herford her zu stellen. Und ich denke, das ist mir relativ schnell gelungen.«
Den Handballkreis Bielefeld-Herford sieht er heute in der OWL-Hierarchie auf Platz zwei angesiedelt, hinter Minden-Lübbecke. »Das ist strukturbedingt. Dort sind viele ländliche Gebiete. In einer Großstadt wie Bielefeld hat es der Handball schwer. Der Fußball ist genau so groß wie die Ablenkungsmöglichkeiten für die Jugendlichen.«
Hinzu käme die Mentalität der Bielefelder; Wollmann kennt seine Pappenheimer. »Absoluten Spitzenhandball würden sie hier annehmen, aber nichts dazwischen.« Der 73-Jährige bedauert sehr, dass es der TSG Altenhagen-Heepen nach ihrem Aufstieg in die Zweitklassigkeit 1993 in einem Jahrzehnt nicht gelungen ist, Bundesligahandball am Teuto zu etablieren. Dass die gemeinsame Sache TSG/TuS 97 scheitern würde, stand für ihn »von vornherein« fest. »So alte Traditionen mitein-ander zu vermischen, konnte nicht gut gehen.« Dass Wollmann und der Handballkreis damals nicht in die Planungen mit einbezogen wurden, sei »enttäuschend« gewesen. »Eventuell hätten wir noch andere Möglichkeiten gefunden.«
Nicht zuletzt dank der fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Stiftung der Sparkasse Bielefeld ist Gunther Wollmann um die Handball-Perspektive im Oberzentrum nicht bange. Lehrwart Michael Neuhaus setze seit Jahren wichtige Akzente in der Förderung des Breitensports. »Da hatten wir enormen Nachholbedarf. Ich bin ganz sicher, dass die Zahl der überdurchschnittlichen Spieler bei uns mittelfristig ansteigen wird.«
Wollmanns Appell richtet sich an alle Eltern und Erzieher: »Lasst die jungen Leute eine Mannschaftssportart betreiben, egal welche. Da werden sie gefördert und lernen frühzeitig, dass du alleine nichts bist.« Ein Credo des ehemaligen Polizeibeamten, der zu Beginn seiner Amtszeit das Ressort Ehrungen »auf dem Tiefstpunkt« vorfand. »Dieses Thema habe ich immer stark verfolgt. Den Mitarbeitern soll das zukommen, was möglich ist. Es gehört einfach dazu, nach außen zu zeigen, dass Leistungen und Aufwand anerkannt werden.« Und deshalb sind am Montagabend im Fichtenhof auch fünf Auszeichnungen langjähriger und verdienter Funktionäre vorgesehen.
Seinem Nachfolger Boerscheper wünscht Gunther Wollmann angesichts »knapper werdender finanzieller Mittel ein ruhiges Händchen und Gespür für die Belange des Bielefelder Handballs. Er hat ein tolles Team zur Seite.« Als neuer Kassenwart - das Amt hatte Boerscheper in Personalunion inne - steht Patrik Pfitzer parat.
Wenn dem scheidenden Chef ein Teilbereich etwas schwer im Magen liegt, dann ist es das Schiedsrichterwesen. »Da fehlt es uns einfach an Qualität. Wir haben kaum Gespanne, die in höheren Klassen pfeifen. Oft schicken die Vereine einfach ungeeignete Kandidaten zu den Lehrgängen.«
In seiner langen Amtszeit hat Gunther Wollmann immer wieder gerne den Kontakt zur Basis gesucht. »Als uns der WHV das Passwesen entzogen hat, wurde uns damit zugleich ein großer Punkt der Berührung mit den Vereinen genommen.«
Der Ehrenvorsitzende in spe hofft, dass die Handball-Weltmeisterschaft in der Nachbarschaft eine Begeisterung für die Sportart schürt, die dann auch ein bisschen auf Bielefeld abstrahlt. Wobei: »Die Zusammenarbeit zwischen dem DHB und dem Kreis ist gleich null.« Dass die DHB-Road-show vor geraumer Zeit auf dem Jahnplatz Station machte, musste Wollmann aus der Zeitung erfahren. »Das ist doch mehr als traurig. Der DHB denkt, wir sind für ihn da. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein.« Da der Verband sich zudem nicht in der Lage sah, den Kreisen ein gewisses Kartenkontingent für die WM zur Verfügung zu stellen, wird Gunther Wollmann das Spektakel im Januar nächsten Jahres eben nur auf dem Bildschirm verfolgen. Als »eine gewisse Form von Protest.«
Zahlreiche Ehrengäste von Verband und Bezirk werden beim Kreistag am Montag ab 19.30 Uhr zugegen sein. 16 Tagesordnungspunkte gilt es abarbeiten. Unter anderem muss eine neue Satzung verabschiedet werden. Gunther Wollmann: »Wir müssen ein eingetragener Verein werden. Vorgabe von oben.«

Artikel vom 09.11.2006