08.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kraftstoff aus
ganzer Pflanze
und Restholz

VW und Mercedes sind beteiligt

Von Sabine Neumann
Freiberg (WB). Kraftstoffen der zweiten Generation gehört die Zukunft. Nachdem sich erst nur der VW-Konzern und DaimlerChrysler für den aus Biomasse gewonnenen Sprit - genannt SunDiesel - stark gemacht haben, hat mittlerweile auch Shell eine Minderheitsbeteiligung am deutschen Hersteller Choren Industries erworben.

Mehrere 100 Millionen Euro sollen dazu beitragen, dass schon bald ein Teil des Mineralölbedarfs aus landwirtschaftlichen Abfällen, Holz und anderen organischen Stoffen hergestellt werden kann.
Dank einer speziellen Vergasungstechnologie ist es dem 150-Mann-Betrieb in Freiberg (Sachsen) gelungen, Restholz und andere Energiepflanzen in ein teerfreies Synthesegas umzuwandeln, das sich zu hochreinem Kraftstoff weiterverarbeiten lässt. Ein Verfahren, dass offiziell Biomasse-to-Liquid, kurz BtL, genannt wird. Anders als beim Biodiesel wird dabei nicht nur die Frucht einer Pflanze verwendet, sondern ihre gesamten Bestandteile. Lassen sich aus einem Hektar Anbaufläche mit Raps, Getreide oder Zuckerrohr 1300 Liter Biodiesels herstellen, so sind es nach Angaben von Choren gut 4000 Liter Dieseläquivalent in Form von SunDiesel. Äquivalent deswegen, weil die Energiedichte der Treibstoffe unterschiedlich hoch ist. Ein Liter SunDiesel entspricht 0,97 Litern konventionellen Diesels, ein Liter Biodiesel liegt gar nur bei 0,91 Litern.
Mit den in Deutschland brachliegenden Agrarflächen ließen sich laut Choren-Chef Tom Blades etwa vier Millionen Tonnen Diesel erzeugen. Bis zum Jahr 2020 könnte sogar ein Viertel des in Deutschland benötigten Kraftstoffes aus Biomasse erzeugt werden.
Klingt schon das verlockend, so scheinen die Eigenschaften des neuen Produkts geradezu überwältigend. Im Gegensatz zu derzeit eingesetzten Biotreibstoffen gilt SunDiesel als weniger aggressiv und im Vergleich zu Kraftstoffen aus Erdöl deutlich umweltfreundlicher. Bei seiner Verbrennung fallen bis zu 90 Prozent weniger Kohlendioxid, Stickoxide und so gut wie keine Rußpartikel an. Zudem soll er frei von Schwefel, Teer und gesundheitsschädlichen Aromaten sein. Seine biologische Abbaubarkeit ist da schon selbstverständlich.
Das große Interesse der Automobilhersteller rührt aber vor allem von den technischen Eigenschaften des BtL-Treibstoffes. Schon von Haus aus verfügt er über eine höhere Cetanzahl. Mit ihr wird die Zündwilligkeit eines Motors angegeben. Je höher, je besser. Liegt sie im EU-Durchschnitt bei 49, ist sie bei SunDiesel bei 70. Das wirkt sich positiv auf die Geräuschentwicklung eines Motors aus. Auch ansonsten lässt sich das neue Motorenfutter an die Qualitäten anpassen, weswegen VW schon seit einiger Zeit an speziell darauf abgestimmten Antriebskonzepten arbeitet.
DaimlerChrysler kündigt an, alle neuen Diesel-Pkw bei der Auslieferung an die Kunden mit dem neuen Produkt zu befüllen, sobald er in ausreichender Menge zur Verfügung stehe.
An diesem Punkt liegen derzeit die Probleme. 2007 soll eine Anlage in Betrieb gehen, die 15 000 Tonnen im Jahr produzieren kann. 2010 soll in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) eine Fabrik folgen, die einen Jahresausstoß von 200 000 Tonnen hat. Damit wären aber auch erst zehn Prozent des Gesamtbedarfs abgedeckt.
Und noch einen Haken hat die Sache derzeit: Selbst bei den derzeit hohen Ölpreisen kann SunDiesel nur gegen den »normalem« Sprit gewinnen, wenn er nicht besteuert wird. Gilt gegenüber herkömmlichen Treibstoffen schon die Produktion von Biodiesel als doppelt so teuer, kommen bei dem Choren-Produkt noch einmal zehn bis 20 Prozent an Mehrkosten hinzu.

Artikel vom 08.11.2006