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Frühwarnsystem gegen Blackout im Stromnetz

Paderborner Forscher entwickeln neue Messtechnik

Von Edgar Fels
Paderborn (WB). Eine Erfindung aus Paderborn könnte schon in naher Zukunft dazu beitragen, das Stromnetz europaweit stabiler zu machen. So genannte Blackouts, wie sie am Samstagabend Millionen Menschen erleben mussten, könnten dann verhindert werden.
Neue Technik: Dieses Relais kann Transformatoren abschalten und »Schwingungen« im Netz messen.
Stromnetzexperte: Michael Fette aus Paderborn

Michael Fette (48), habilitierter Ingenieur und Inhaber der Firma System & Dynamik, hat zusammen mit dem mittelständischen Unternehmen A. Eberle in Nürnberg, einem Spezialisten im Bereich Spannungsregelung, ein Frühwarnsystem entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Relais, das nach den Worten von Lothar Mayer, Geschäftsführer bei A. Eberle, eine zuverlässige Aussage darüber trifft, wie groß die Stabilitätsreserven im Netz noch sind.
Die Resonanz der Industrie ist offenbar groß und dürfte nach dem jüngsten länderübergreifenden Stromausfall noch größer werden. »Wir sind mit allen großen Versorgern im Gespräch, und alle zeigen sich sehr interessiert«, sagte Michael Fette gestern dieser Zeitung. Dass das Problem jetzt mit noch mehr Hochdruck angegangen wird, macht auch wirtschaftlich gesehen Sinn. Fällt etwa eine 400-kV-Gruppe aus, die eine Stadt wie Wien und Umgebung mit Strom versorgt, beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden einer österreichischen Untersuchung zufolge auf 40 Millionen Euro - pro Stunde.
Den Mega-Kollaps vom vergangenen Wochenende konnte die ostwestfälisch-fränkische Koproduktion mit dem Namen »Collapse Prediction Relay« (CPR-D) allerdings nicht verhindern. »Zur Zeit wird es zwar bei einigen Versorgern zu Testzwecken eingesetzt, allerdings nur im Ausland, aber demnächst auch hier«, so Fette.
Michael Fette befasst sich seit etwa 20 Jahren mit den immer komplexer werdenden Stromnetzen. Er sagt, das Problem sei, dass die Vernetzung historisch gewachsen ist und dass im Laufe der Jahre immer höhere Ebenen dazugeschaltet wurden. So sei das Netz immer komplexer geworden. »Die Grenzen für ein Funktionieren des Gesamtsystems werden aber nicht von Menschen, sondern von der Physik gesetzt«, sagt der Stromexperte.
Dabei sei nicht die Strommenge, die in das Netz eingespeist wird, das Problem, sondern vielmehr deren Charakteristik. Damit umschreibt Fette etwa bei Windparks die nicht vorhersagbaren Böen, die für eine größere Einspeisung sorgen und im Netz bisher nicht messbare »Wellen« oder »Schwingungen« auslösen können.
Die eigentliche »Falle« sei aber, dass das Stromnetz nichtlinear sei, das heißt: Mit zunehmender Auslastung reagiert das Energieversorgungssystem anders, als es herkömmliche Rechenmodelle erwarten lassen. Fette und sein Team entwickelten in jahrelanger Forschungsarbeit neue mathematische Modelle auf Basis der Theorie nichtlinearer Systeme. Die neuen Messmethoden sollen frühzeitig auf Stabilitätsprobleme aufmerksam machen.
Bis dahin mag der Experte jedoch nicht ausschließen, dass es erneut zu Stromausfällen kommt.

Artikel vom 07.11.2006