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Ein Loblied auf den
Zauber der Provence

»Ein gutes Jahr« mit »Oscar«-Preisträger Russell Crowe


Südfrankreich ist wunderschön, idyllische Städtchen und romantische Landhäuser schmiegen sich an die Hügel und Weinberge der Provence. 300 Tage im Jahr scheint die Sonne, ein sanfter Wind trägt würzige Kräuter- und Lavendeldüfte vor sich her. Doch dem zynischen Wertpapierhändler Max Skinner aus dem tristen London erscheint dieses Fleckchen Erde alles andere als verlockend.
Als er von seinem Onkel Henry ein Weingut erbt, will Skinner das Anwesen so schnell wie möglich wieder loswerden. Doch so einfach lässt sich dieser Deal nicht abwickeln, und der Geldmensch muss widerwillig erkennen, dass auch er gegen den Zauber der Provence nicht immun ist. »Ein gutes Jahr« heißt der neue Kinofilm von Ridley Scott, in dem »Oscar«-Preisträger Russell Crowe als eigensinniger und oberflächlicher Finanzhai zu den wahren Werten im Leben zurückfindet.
Bereits nach dem ersten Drittel lässt die Geschichte, die auf einem Bestseller des Engländers Peter Mayle basiert, das Ende erahnen: Ablehnung verwandelt sich in Liebe. Auch die Hindernisse auf dem Weg, beispielsweise in Gestalt von Henrys angeblicher Tochter Christie (Abbie Cornish) können das Happy-end nicht verhindern. Max gibt sein Börsenleben auf und genießt das Leben bei einem Glas edlen Weines aus eigenen Trauben.
Dennoch gelingt es Scott (»Gladiator«), diese banale Geschichte in einen unterhaltsamen Film zu verwandeln. Es macht Spaß zu sehen, wie Crowe (»A Beautiful Mind«) als profitorientierter Wertpapierhändler allmählich weich wird und unter der harten Schale ein unbeholfener, rauher Charme zum Vorschein kommt. Natürlich steckt hinter dieser Wandlung auch eine Frau: die Restaurantbesitzerin Fanny Chenal (Marion Cotillard (»Mathilde - Eine große Liebe«), als Schönheit des Dorfes gefeiert, aber trotzdem von der Liebe enttäuscht und deshalb mindestens so eigensinnig wie Max. Albert Finney als Onkel Henry, Tom Hollander als Freund Charlie Willis und Valeria Bruni Tedeschi als gestrenge französische Notarin passen sich gut in die lockere Atmosphäre des Films ein.
Etwas sentimental sind die Rückblenden in die Zeit, in der Max die Sommerferien seiner Kindheit bei seinem Onkel verbrachte. Es sind glückliche Erinnerungen an endlose Schachspiele, Tennisturniere und tiefgründige Gespräche. Und doch brach der Kontakt ab; zehn Jahre lang hörten Max und sein Onkel nichts mehr voneinander, und Henry starb allein. »Dieser Platz passt nicht zu meinem Leben«, sagt der erwachsene Max und will damit alle Sentimentalitäten beiseite wischen. »Es ist dein Leben, das nicht zu diesem Platz passt«, antwortet Fanny und legt damit den Finger in die Wunde.
»Das ist ein wirklich gehaltvoller Film«, meint Crowe, der nach »Gladiator« zum zweiten Mal mit Scott zusammengearbeitet hat. Viele stellten sich in der Mitte des Lebens die Frage: »Habe ich das Richtige gemacht? Bin ich glücklich mit der Situation?« Doch ebenso könne man den Film einfach leicht nehmen: »Dann ist es eine wunderbare Art, den Abend zu verbringen.«

Artikel vom 09.11.2006