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Purzelbäume
vor lauter Glück

»Klangverwaltung« bei »Pro Musica«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Unter den Eliteorchestern dürfte das 1997 gegründete »Orchester der Klangverwaltung« weltweit das jüngste sein. Sein nüchtern sachlicher Name steht in krassem Gegensatz zu der lebendigen und lustvollen Weise, mit der die Musiker unter dem kreativen Geist Enoch zu Guttenbergs aufzuspielen pflegen.

Einer Offenbarung gleich, servierte das Ensemble, das sich projektbezogen aus Instrumentalisten führender Sinfonieorchester und Opernhäuser zusammensetzt, im Rahmen des zweiten »Pro Musica«-Konzerts der Saison Altbekanntes in neuem Klanggewand. Dass zwischen den Sätzen einer Sinfonie ein erstauntes Raunen durch die Reihen der Oetkerhalle geht, erlebt man nicht alle Tage. Es verriet, wie außergewöhnlich tiefgründig die »Klangverwaltung« in dem hochdifferenzierten Klangkosmos von Franz Schuberts Großer C-Dur Sinfonie D 944 schürfte.
Was diese offensichtliche Andersartigkeit hervorruft, ist zum einen die Gleichberechtigung, mit der die Musiker in die musikalische Arbeit und somit Interpretation einbezogen sind. Damit geht offenbar eine enorme Motivationssteigerung und ein Ausbleiben jeglicher Routine einher.
Die Deutsche Sitzordnung mit gegenüberliegenden ersten und zweiten Geigen erleichtert zudem die Verständigung, über die man im übrigen nur staunen kann. Denn selten kommt es vor, dass Enoch von Guttenberg den Takt schlägt. Sein sehenswertes Dirigat besteht größtenteils darin, Impulse zu geben, um im Weiteren seine Klangvorstellungen mit faszinierendem Körpereinsatz zu übermitteln. Tauben Menschen wäre es so möglich, sehend zu hören oder zumindest eine Vorstellung von den Stimmungen und Gefühlen zu bekommen, die die Musik transportiert.
Bei Richard Wagners Siegfried-Idyll sind es bekanntlich die Gefühle der Liebe. Dass bei Wagner die Musik vor lauter Glück selbst Purzelbäume schlägt, arbeiten die Klangverwalter so lebhaft-plastisch heraus wie das Liebesgeflüster der säuselnden Geigen. Wann hat man diese in Noten überbrachte Liebeserklärung des Komponisten an seine frisch angetraute Cosima je atmender, nachfühlbarer vernommen?!
Der Schubert hingegen sprüht nur so vor Impulsivität und Vitalität. Da konnte man nur bass erstaunen, welche Lebendigkeit das mit 50 Minuten zügig präsentierte Werk entfaltet, wenn kleinteilige Kontrastschärfe den Spielduktus bestimmen. All das erntete frenetischen Beifall.

Artikel vom 08.11.2006