07.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dechiffrierte Biografien

»Drei Zimmer Küche Bad« in der Studiengalerie

Von Uta Jostwerner
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Nur die Klingel fehlt. Andererseits steht die Tür ohnehin Besucher offen, die die Installation »Drei Zimmer Küche Bad« in der Studiengalerie der Kunsthalle besuchen möchten. Die Künstlerinnen Christine Gensheimer und Vera Brüggemann haben sich dort auf 144 Quadratmetern häuslich eingerichtet.

In ihrer Zweier-WG hat jede der Frauen, die auf keinen Fall ihr Alter verraten wollen, - »Danach fragt man eine Dame nicht!«, muss sich die Journaille belehren lassen -Ê ein eigenes Zimmer. Küche, Wohnzimmer und Bad sind Gemeinschaftsräume. Neben Tisch und Stühlen, Bett und Sofa hat jede ihre eigenen künstlerischen Schöpfungen -Ê Zeichnungen, Collagen, Videofilme -Ê mitgebracht. Wer zu Besuch kommt und etwas Zeit und Neugierde mitbringt, erfährt viel Persönliches über die in Bielefeld lebenden Alterslosen. Ganz nach dem Motto: »Zeig mir deine Wohnung und ich sage dir, wer du bist.«
Zu Vera Brüggemann gelangt der Besucher, nachdem er ihre paarungswütigen Steckfiguren aus Papier sowie ihre 108 mit Schreibmaschine auf Karteikarte festgehaltenen »möglichen Todesarten« passiert hat. In ihrem Zimmer befindet sich ein Bett mit Bettgeschichten. Es handelt sich um gezeichnete Tagebücher, in denen ungeniert geblättert und gelesen werden darf. Das »gezeichnete Tagebuch« setzt sich an den Wänden als Lose-Blatt-Sammlung fort. Zum Teil tragen die Blätter Datumsstempel. Wieder draußen, gilt es noch, die kolorierte Zeichenserie »Schlagende Frauen« zu inspizieren. Was sagt uns das alles über die Künstlerin? Eine gelernte Illustratorin, die seit 15 Jahren künstlerisch tätig ist -Ê soviel immerhin war in Erfahrung zu bringen.
Christine Gensheimer, die im Sommer dieses Jahres ihr Diplom an der Fachhochschule für Gestaltung bei Professor Jochen Geilen ablegte, hat ein Fernsehzimmer eingerichtet, in dem der Gast Einzelteile aus ihren Filmen -Ê handgezeichneter Trickfilm und computeranimierte Vorlagen -Ê anschauen kann. Dazu zeigt Christine Gensheimer eine dicht gehängte Ansammlung ungerahmter Bilder. Der auf den ersten Blick erzeugte Eindruck von Willkür täuscht: »Die Zeichnungen haben alle formale Bezüge und sollen zu einem Gesamtbild verschmelzen«, sagt die Künstlerin, die sich vielfältiger Stile bedient und die weitere Endlos-Loops sowie Kurzfilme in Flur und Wohnzimmer präsentiert.
Die Ausstellung wird am Mittwoch, 20 Uhr, eröffnet und läuft bis zum 21. Januar. An vier Terminen laden die Damen ferner zum Salon ein.

Artikel vom 07.11.2006