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Wo versteckte Entführer Frauke Liebs?

Vor ihrem Tod meldete sich verschleppte Schwesternschülerin per Handy von sieben Orten

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Im Mordfall Frauke Liebs geht die Kriminalpolizei davon aus, dass der Täter aus dem großen Bekanntenkreis der 21-jährigen Schwesternschülerin stammt.

»Es widerspricht nämlich jeglicher kriminalistischer Erfahrung, dass ein wildfremder Entführer sein Opfer regelmäßig telefonieren lässt, wie es in diesem Fall geschehen ist«, erklärt Hauptkommissar Ralf Östermann, der Leiter der zehnköpfigen Mordkommission. Alleiniger Zweck der Telefonate dürfte es gewesen sein, nach Fraukes Verschwinden Freunde, Angehörige und die Polizei zu beruhigen. »Inhaltlich geben die Gespräche nämlich nicht viel her. Sie fanden mit Sicherheit in Anwesenheit des Entführers statt«, sagt Östermann. Dass der Täter der 21-Jährigen offenbar nur erlaubt hatte, mit ihrem Ex-Freund und Mitbewohner Chris K. zu telefonieren, könne daran liegen, dass der Täter Chris K. möglicherweise kenne. Warum die Situation nach einer Woche eskaliert war und der Entführer Frauke Liebs ermordet hatte -Ê bis heute kann das kein Außenstehender erklären. Nach Recherchen der Mordkommission hat es bundesweit noch keinen ähnlichen Fall gegeben.
Die Überprüfung der Handy-Verbindungsdaten (sie werden von den Providern 80 Tage gespeichert) hat gezeigt, dass der Täter mit seinem Opfer unterwegs gewesen sein muss. Nachdem sich Frauke Liebs am 20. Juni mit einer Freundin in der Paderborner Innenstadt die Übertragung des WM-Spiels England-Schweden angesehen hatte, wollte sie nach Hause gehen, wo sie aber nicht angekommen ist. Um 0.49 Uhr meldete sich die Schwesternschülerin aus dem Raum Nieheim (Kreis Höxter) mit einer SMS bei ihrem Ex-Freund Chris K., am Tag darauf telefonierte sie aus Hövelhof-Dreihausen an der A 33. Einen Tag später schickte Frauke Liebs eine SMS aus dem Paderborner Gewerbegebiet Benhauser Feld, Minuten später wurde sie hier von ihrem Bruder telefonisch erreicht. Beim fünften Kontakt hielt sich Frauke Liebs in einem Gewerbegebiet in Paderborn-Mönkeloh auf, beim sechsten und siebten Telefonat im Paderborner Gewerbegebiet Dören.
Eine Hypothese ist, dass der Entführer Frauke Liebs tagsüber allein in einem schalldichten Versteck ließ, sie abends herausholte, dann mit ihr wegfuhr und Frauke von unterschiedlichen Standorten aus telefonieren ließ -Ê um die Polizei bei der Überprüfung der Handydaten ins Leere laufen zu lassen. Die Kripo schließt aber auch nicht aus, dass die junge Frau eine Woche lang in einem mobilen Versteck eingesperrt gewesen sein könnte, etwa in einem Wohnmobil oder einem Lastwagen.
»Sechs der sieben Telefonkontakte haben nachts stattgefunden«, sagt Ralf Östermann. Nur am Samstag, dem 24. Juni, habe Frauke Liebs nachmittags telefoniert - um 14.22 Uhr im Bereich Paderborn-Mönkeloh. Östermann: »Vielleicht hat jemand die junge Frau an diesem Tag gesehen. Zur Erinnerung: Am Spätnachmittag fand das WM-Spiel zwischen Deutschland und Schweden statt.«
Auffallend ist, dass Frauke Liebs sich anfangs sechs Tage in Folge gemeldet hatte und dann zwei Tage Funkstille war, bevor sie ihr letztes Telefongespräch führte. Warum hat die Frau am 26. und 27. Juni nicht telefoniert? War ihr Entführer vielleicht an diesen Tagen überhaupt nicht in Paderborn? Musste Frauke Liebs sterben, weil dem Entführer das Ver-steck nicht länger zur Verfügung stand? »Das sind einige von vielen Fragen, die uns beschäftigen«, sagt Hauptkommissar Östermann.
Frauke Liebs' Leiche war am 4. Oktober in einem Wald in Lichtenau (Kreis Paderborn) entdeckt und am 27. Oktober in ihrer Heimatstadt Lübbecke beigesetzt worden. Für Hinweise, die zum Täter führen, haben Familie und Staatsanwaltschaft 7500 Euro Belohnung ausgesetzt.
l Hinweise erbittet die Mordkommission unter 05251/3060.

Artikel vom 07.11.2006