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Manfred Rommel

»Wer den Ruf des Frühaufstehers hat, kann getrost den ganzen Morgen im Bett bleiben.«.

Leitartikel
Apokalypse unter Strom

Und des Tages Müh' und Plage?


Von Rolf Dressler
An diesem Dienstagmorgen müsste zumindest der deutsch-sprechende und deutschlesende Teil der Menschheit eigentlich am liebsten gleich im Bett geblieben sein, die Daunenfederdecke verzweifelt fest über beide Augen und Ohren gezogen. Denn, im Ernst, was soll, was kann es überhaupt noch bringen, aufzustehen nur um des Tages Müh' und Plage willen, wenn doch schon der gestrige Montagmorgen-»Spiegel« mal wieder als beschlossen und verkündet in die verstörte Welt hinaustrompete: »Achtung, Weltuntergang!«
Und das Ganze wird dann auch noch genüsslich aufgeladen und hinterfüttert mit einer knallig-bunten Horrorbild-Apokalypse. Sie zeigt, wie unser Blauer Planet, das Raumschiff Erde, buchstäblich absäuft in jenen teuflischen Klimakatastrophen-Fluten, die alles verschlingen.
Ja, müssen da nicht alle Alltagssorgen mit einem Schlag auf lächerlich unwichtiges Nichtigkeits-Miniformat schrumpfen?
Ist es nicht schlicht albern, sich noch einen Lidschlag länger den Kopf zu zerbrechen zum Beispiel über Lappalien wie die sogenannten Wohnnebenkosten, die, wenn es so weitergeht, eines gar nicht mehr so fernen Tages mit den Wohnungsmieten gleichgezogen haben werden?
Lohnt es die Aufregung über das, was die Energieanbieter-Riesen dem zahlenden Energienutzer-Publikum treuherzig verkünden: dass Strom heute, anno 2006, »deutlich billiger sein könnte als vor acht Jahren«, wenn der Weltuntergang nun doch angeblich schon mit Lichtgeschwindigkeit herannaht?
Und was ist schon neu an dem Verweis darauf, dass 40 Prozent unserer, Ihrer und meiner Stromrechnung Steuern und Abgaben sind, die Väterchen Staat, das gefräßige Wesen, lustvoll einstreicht? Doch während die herrschende Politik ungeniert leutetäuscherisch von »Schuldenabbau« redet, hat sie bis heute in Wahrheit nicht einen einzigen müden Cent tatsächlich in die Tilgung gesteckt, wie es jeder Bauhypothekennehmer, ob Modernisierer, Bauherr, Haus- oder Wohnungskäufer, völlig selbstverständlich tun muss.
Unterdessen sieht beispielsweise Hessens Landesregierung schon jetzt keine gesetzliche Handhabe mehr, die bereits vorliegenden Anträge auf neuerliche Preiserhöhungen fürs nächste Jahr abzublocken. Mindestens vier Prozent netto werden gewünscht.
Und der jüngste Stromausfall vom Wochenende spielt den Energiekonzernen sogar noch Argumentationsmunition zu nach dem Motto: Wenn wir in die Netze modernisieren (sollen), kostet das natürlich zusätzliches Geld.
Übrigens zieht Putin-Russlands Gazprom (Aufsichtsratsboss Gerhard Schröder, deutscher Alt-Kanzler) soeben der ohnehin darbenden Ukraine schon wieder mächtig die Daumenschrauben an, verdoppelt den Gaspreis.
So gesehen fügt sich vieles dramatisch ineinander. Aber was soll's, der Weltuntergang steht doch sowieso kurz bevor. Nur das genaue Datum kennen selbst die »Spiegel«-Fechter noch nicht.

Artikel vom 07.11.2006