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Koalition erhöht Steuerzuschuss

Gesetzliche Krankenkassen erhalten zusätzlich eine Milliarde Euro

Berlin (dpa). Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten im kommenden Jahr mit einem zusätzlichen Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro insgesamt 2,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

Darauf haben sich Union und SPD gestern geeinigt. In diesem Jahr sind es noch 4,2 Milliarden Euro. Die Krankenkassen kritisierten den künftigen Zuschuss als völlig unzureichend und sagten eine Erhöhung des durchschnittlichen Krankenkassenbeitrags auf die Rekordmarke von 14,9 Prozent voraus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte die Kassen, sich nicht durch Beitragserhöhungen zu bereichern. Dauerhaft hält Merkel stabile Beiträge für realistisch.
Durch die von der Koalition beschlossene stufenweise Mitfinanzierung der Kinder-Krankenversicherung aus Steuern würden die zwangsläufigen Kostensteigerungen der Kassen abgefedert, sagte Merkel beim Arbeitgebertag in Berlin. Bis die Reform in Kraft trete, achte die Regierung darauf, dass Kassen den derzeit unsicheren Rechtsrahmen nicht ausnutzten, um sich durch Beitragserhöhungen zu bereichern.
Die Gesundheitsreform sah bislang vor, die gesetzlichen Kassen 2008 mit 1,5 und 2009 mit 3 Milliarden Euro aus Steuern zu unterstützen. Der Zuschuss soll in jährlichen Schritten von 1,5 Milliarden Euro weiter anwachsen, bis zehn Prozent der Ausgaben - derzeit 14 Milliarden Euro - erreicht sind. Gleichzeitig will die Koalition in einem anderen Gesetz den derzeitigen Zuschuss aus der Tabaksteuer von 4,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr auf 1,5 Milliarden zurückfahren und 2008 ganz streichen.
Die für 2007 zusätzlich beschlossene 1 Milliarde Euro soll durch Umschichtungen im gesamten Bundesetat aufgebracht werden. 1 Milliarde Euro entspricht 0,1 Beitragssatz-Punkten.
Der für die Finanzen derzeit zuständige Ersatzkassenverband kritisierte die Steuerbeschlüsse. »Das reicht lange nicht aus, um das Defizit zu decken«, sagte Sprecherin Michaela Gottfried. Werde dies so umgesetzt, fehlten der Krankenversicherung 2007 mehr als 6,5 Milliarden Euro. Florian Lanz, Sprecher der BKK, sagte hingegen: »Damit wird der Erhöhungsdruck bei den Kassen etwas gelindert.«
Gottfried meldete zudem Zweifel an, ob künftige Steuerzuschüsse von insgesamt 14 Milliarden Euro tatsächlich erreicht werden. »Da ist keine Zuverlässligkeit drin.« Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte, trotz des höheren Steuerzuschusses »erreichen die Beiträge eine neue Rekordbelastung«.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warf Merkel ein »Täuschungsmanöver« vor. Steigende Beiträge gingen wesentlich auf Fehlentscheidungen der Regierung zurück. Dazu gehöre auch die Mehrwertsteuererhöhung und »die Weigerung der Regierung, durch mehr Wettbewerb Kostendämpfungen zu erreichen«.
Für Verwirrung sorgte die Äußerung von CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, nach der ein höherer Steuerzuschuss nicht nur den gesetzlichen, sondern auch den privaten Kassen zu Gute kommen solle. Der Zuschuss sei »politisch, nicht aber faktisch« für die Kinder-Krankenversicherung gedacht, hieß es dazu in Koalitionskreisen. Hintergrund sind verfassungsrechtliche Bedenken. Handelt es sich bei dem Schritt um einen Extrazuschuss nur für Kinder gesetzlicher Versicherter, müssen aus verfassungsrechtlichen Gründen nach vorherrschender Meinung auch Privatversicherte einbezogen werden.
Nach einem Zeitungsbericht ist Merkel nicht zu einem von den zentralen Verbänden des Gesundheitswesens erbetenen Treffen zur Reform bereit. In der Vergangenheit habe es solche Treffen nicht gegeben, und es gebe keinen Grund, daran jetzt etwas zu ändern, hieß es in Regierungskreisen. Zuvor hatten elf Spitzenverbände an Merkel geschrieben und »möglichst kurzfristig« um ein Treffen gebeten.

Artikel vom 08.11.2006