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Und immer
gewinnen die
Abkassierer

Korruption hat Sport im Würgegriff

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Krakenarme der Korruption haben den Profisport fest im Würgegriff. Davon ist die Kriminologin und frühere Leistungssportlerin Britta Bannenberg aus Bielefeld zutiefst überzeugt.

All zu selten flögen sie auf, »die Pevenages dieser Welt«, die Doping-Dealer und die, die Menschenhandel mit afrikanischen Langstreckenläufern betrieben. Im Visier hat die streitbare Bielefelder Professorin, die Jan Ullrich persönlich anzeigte, auch Abkassierer bei Sport-Bauprojekten und heimliche Mitverdiener, wenn TV-Rechte verscherbelt werden. Öffentlich-rechtliche Amtsträger, die Sendezeiten gegen Geld an Randsportarten geben, rangieren bei ihr schon fast unter ferner liefen.
Absprachen gäbe es reichlich, aber selten handfeste Beweise, allzu oft verlören sich die Spuren im Amigo-Gestrüpp der Verbände und »mafiösen Sportfamilien«. In den Blick zu nehmen seien auch die Strukturen um die Aktiven herum. Völlig undurchsichtig sei, wie die Leitungsgremien der Spitzenverbände besetzt würden.
Allein der märchenhafte Reichtum bestimmter FIFA-Funktionäre und anderer Titanen des Weltsports belege dann die dunkle Seite der schönsten Nebensache der Welt. Über Austragungsstätten olympischer Spiele entschieden auch Delegierte, sagt die Juristin, die in ihren Heimatländern wegen Betruges und/oder Vorteilsnahme einschlägig vorbestraft seien. Auf internationaler Ebene seien solche Gestalten mehr als geduldet, ihre Stimme werde gebraucht.
Warum musste Leipzigs Olympia-Bewerbung 800 Millionen Euro kosten? Und was hat die Fußball-WM in Deutschland wirklich an Kosten verursacht? Das werde der Steuerzahler hierzulande niemals erfahren, beklagte die Inhaberin des Lehrstuhls für Kriminologie, Strafverfahrensrecht und Strafrecht an der Universität Bielefeld.
Dort präsentierte sich in dieser Woche die neue OWL-Gruppe von Transparency International, einem weltweit renommierten Korruptionsregister. Regional-Sprecher Harald Schlüter will auch heimische Akteure in Unternehmen und Verwaltungen zur Selbstverpflichtung gegen Bestechung und Vorteilsnahme gewinnen. Den Profisport in OWL nannte der Jurist ausdrücklich nicht. Dabei gerieten der jüngste Wettskandal, Arminia 1971 und die Connection Calmund/Graul mehrfach ins Visier beim Treff der Sportjuristen.
Keine Angst vor noch so großen Namen zeigte auch der Kriminologe Matthias Braasch. Für ihn ist Sepp Blatter ein feudaler Fründenverweser in Nachfolge von Horst Dassler, dem aus seiner Sicht legendären Wegbereiter der Korruption im Sport überhaupt.
Blatters Stallgeruch hafte auch DOSB-Präsident Thomas Bach an. Erst als Bannenberg in der engagierten Vortrag des Kollegen einwarf, »Vorsicht, der Bach klagt auch gerne«, bremste Braasch sein Temperament. Franz Beckenbauer musste sich hernach aber immer noch einen Beratervertrag mit Medienmogul Leo Kirch vorhalten lassen.
Bannenberg fehlt die strafrechtliche Handhabe gegen Korruption im Profi-Sport. »Da gibt es eine Gesetzeslücke.« Von dem derzeitigen Strafrechts-Paragraphen 299, der die Bestechlichkeit und Bestechung im Geschäftsverkehr sanktioniere, sei die Korruption bei Sportwettbewerben bislang ausdrücklich nicht erfasst. Nur unter bestimmten Voraussetzungen - etwa im Zusammenwirken mit Wettbüros - liegt bei Korruption wegen Manipulation von Fußball-Spielen nach deutschem Recht eine Strafbarkeit wegen Betruges oder Untreue vor.

Artikel vom 04.11.2006