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Union will Sozialprofil verstärkt ausbauen

Stoiber unterstützt Rüttgers vor dem CDU-Parteitag

Berlin/Bielefeld (WB/Reuters). Drei Wochen vor dem CDU-Parteitag in Dresden nimmt in der Debatte um das soziale Profil der Union der Druck auf Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel zu.

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verlangte am Samstag, die soziale Sicherheit müsse die Leitidee von Union und Regierungskoalition werden. Als Konsequenz aus dem Bundestagswahlkampf müsse man sich wieder Arbeitern und Mittelständlern zuwenden. Frühere Forderungen Merkels, mehr Freiheit zu wagen, konterte Rüttgers mit dem Hinweis, ein 50-Jähriger mit Familie könne dies nicht ohne Sicherheit tun. Er bekräftigte seinen Vorstoß, dass Arbeitslosengeld an Ältere länger auszuzahlen. Rüttgers sagte, er gehe davon aus, dass auch Merkel dies mittragen werde.
Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) und SPD-Chef Kurt Beck erteilten Rüttgers' Plänen eine klare Absage. Beck prophezeite der CDU eine Zerreißprobe beim Parteitag Ende November. Rüttgers sagte dem WESTFALEN-BLATT, die Politik müsse in einem entscheidenden Punkt erweitert werden: Wenn man den Menschen etwas zumute, dann müsse dies am Ende zu mehr Sicherheit für sie führen. »Freiheit und Sicherheit gehören zusammen, sind die zwei Seiten einer Medaille.« Der NRW-Ministerpräsident kritisierte dabei die Regierungskoalition insgesamt: »Es gibt derzeit keine gemeinsame Leitidee, die diese Koalition zusammenschweißt.«
CSU-Chef Stoiber unterstützte den Vorschlag Rüttgers für den Parteitag, älteren Arbeitslosen länger Arbeitslosenhilfe zu zahlen als jüngeren, die kürzer in die Sozialversicherung eingezahlt hätten. »Es geht an die soziale Gerechtigkeit, dass Menschen, die über Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, nicht länger Leistungen erhalten als andere, die nur zwei oder drei Jahre eingezahlt haben«, sagte er. Zugleich kritisierte er die ablehnende Haltung der SPD und kündigte an, dass die Union das Thema auf die Tagesordnung der Koalition setzen werde. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, äußerte sich dagegen skeptisch: »Ich habe immer gesagt, man muss mit solchen Forderungen ausgesprochen vorsichtig umgehen.« CDU-Vize Christian Wulff warnte seine Partei ebenfalls vor einem Kurswechsel: »Wir sollten jetzt nicht die Verteilungsdebatten von gestern führen.«
SPD-Chef Beck nannte den Rüttgers-Vorschlag absurdes Theater, mit dem der CDU-Vize auf Stimmenfang gehe. Er sei gegen die vorgeschlagene Änderungen beim Arbeitslosengeld, weil diese einseitig zu Lasten der Jüngeren gingen. Entgegen der Parteispitze sprach sich auch der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas dafür aus, eine vom Alter abhängige Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld von bis zu 32 Monaten wieder einzuführen. Um dies zu finanzieren, sollten die Sozialbeiträge nicht ganz so stark gesenkt werden wie geplant.
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Artikel vom 06.11.2006