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Prügel in der Schule üblich

Jedes zweite Land erlaubt Gewalt gegen seine Kinder

Berlin (dpa). In jedem zweiten Land der Erde ist Gewalt gegen Kinder in der Schule erlaubt. Das ergab eine Studie des Kinderhilfswerkes UNICEF, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.Verurteilt Gewalt gegen Kinder: Klaus J. Behrendt

Lediglich in 102 von mehr als 200 Staaten sind der Untersuchung zufolge »körperliche Disziplinierungsmaßnahmen« in Schulen verboten. Körperliche Züchtigungen und Gefängnisstrafen für kleinere Delikte seien in vielen Ländern gesellschaftlich akzeptiert, sagte der Leiter der Studie, Professor Paulo Sérgio Pinheiro. In 31 Ländern seien sogar körperliche Strafen vom Auspeitschen bis hin zu Amputationen möglich. Die Studie ist die erste weltweite Untersuchung zum Thema Gewalt gegen Kinder.
Es müsse ein starkes, unmissverständliches Signal gesetzt werden, »dass die Gesellschaft Gewalt gegen Kinder nicht akzeptiert«, sagte Pinheiro. »Kinder dürfen nicht als Mini-Bürger mit Mini- Menschenrechten angesehen werden.« Es sei paradox, dass Gewalt gegen Erwachsene in den meisten Ländern rechtlich verboten sei, während es Ausnahmen für die Gewalt gegen Kinder gebe.
In Deutschland engagiert sich Tatortkommissar Klaus J. Behrendt gegen Gewalt an Kindern. Aber auch wo Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gesetzlich verboten sei, werde die Umsetzung unzureichend überwacht, kritisiert er. Noch immer gebe es in den Industrieländern Todesfälle als Folge von Misshandlungen und Vernachlässigungen. Allein in Deutschland und England sterben hieran jede Woche im Durchschnitt zwei Kinder.
218 Millionen Kinder müssen regelmäßig arbeiten gehen. Laut UNICEF werden zudem 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen sexuell missbraucht oder zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
Besonders gravierend sei in vielen Ländern die Situation junger Straftäter, hieß es. So werden Kinder oft schon mit sieben Jahren eingesperrt. Derzeit sitzen nach Angaben der Studie mehr als eine Million Kinder in Gefängnissen - meist wegen Bettelns, kleinerer Diebstähle oder anderer geringfügiger Straftaten. In den Gefängnissen werden die Kinder laut UNICEF häufig in kleinen Zellen zusammengepfercht.
»Das Gefährliche daran ist, dass es keine genauen Angaben über die Anzahl der Insassen gibt«, ergänzte in Berlin die Leiterin des UNICEF-Forschungszentrums Innocenti in Florenz, Marta Santos Pais. »Diese Kinder sind unsichtbar. Wenn sie also misshandelt werden, kann ihnen keiner helfen, weil keiner etwas davon erfährt.«

Artikel vom 04.11.2006