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Berlusconi schielt auf ProSieben

Mediaset an Fernsehsender interessiert - Entscheidung soll Dienstag fallen

Rom (dpa). Silvio Berlusconi (70) ist immer für eine Überraschung gut. Kaum hat der Mann den Posten des Ministerpräsidenten in Italien abgegeben, stürzt er sich wieder ins Mediengeschäft. Mit der Nachricht, dass sein TV-Imperium Mediaset nun auch Deutschlands größten Fernseh-Konzern ProSiebenSat.1 übernehmen will, gelang ihm ein Überraschungscoup.

Falls das Geschäft über die Bühne geht, könnte die deutsche Medienlandschaft ganz schön durcheinander gewirbelt werden. Das »TV a la Italiana« gilt als das seichteste in Europa. Zugleich gehört in Berlusconis Sendern politische Parteinahme für den Chef zur Tagesordnung, vor allem im Wahlkampf. Gibt es bald auch auf deutschen Mattscheiben »italienische Verhältnisse«?
Noch ist nichts entschieden, heißt es in der Konzernzentrale in Mailand. Am nächsten Dienstag will Mediaset (Jahresumsatz: 3,68 Milliarden Euro, 5800 Mitarbeiter) über die Abgabe eines ersten Angebots entscheiden. Es geht um 50,5 Prozent der Anteile am Grundkapital. Nicht einmal die Tatsache, dass er sich demnächst wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Bestechung wieder vor Gericht verantworten muss, kann Berlusconi von seinem Coup abhalten.
Dazu kommt, dass seine Geschäfte in Italien beschnitten werden sollen. Experten gehen davon aus, dass das neue Mediengesetz, das die Regierung von Romano Prodi jüngst in Rom vorlegte, für Mediaset allein bei den Werbeeinnahmen Verluste von etwa 440 Millionen Euro pro Jahr bedeuten würde.
Eine ProSiebenSat.1-Sprecherin wollte das Interesse von Mediaset nicht kommentieren. Die Senderkette ist derzeit mehrheitlich im Besitz einer Investorengruppe um den US-Milliardär Haim Saban. Sie hatte die Sendergruppe günstig nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe erworben. Ein Verkauf an die Axel Springer AG scheiterte an Kartellproblemen.
In Branchenkreisen hieß es am Freitag, die Anteilseigner um Saban hätten Investmentbanken damit beauftragt, den Markt zu sondieren und unverbindliche Angebote einzusammeln. »Das ganze ist aber ergebnisoffen.« Falls die Offerten nicht attraktiv genug seien, gebe es keinen Druck, kurzfristig auszusteigen. Vorstellbar sei auch, dass die Investoren nur einen Teil ihrer Anteile abgeben. Ein Verkauf noch in diesem Jahr sei »extrem ambitioniert«.
Zur Mediaset-Gruppe, die in der Hand der Familie Berlusconis ist, gehören unter anderem die drei größten TV-Privatsender Italiens. Der Medienkonzern war bereits früher an einer Übernahme der Kirch-Media interessiert, zu der ProSiebenSat.1 bis zur Pleite der Kirch-Gruppe gehörte.
Branchenkreisen zufolge gibt es neben Mediaset eine Reihe von weiteren Interessenten. Dazu gehören vor allem KKR und Permira. Den beiden Beteiligungsgesellschaften gehört bereits der europäische TV-Konzern SBS. Hier wäre eine enge Kooperation mit ProSiebenSat.1 oder sogar eine Zusammenlegung denkbar.
Als Kaufkandidaten werden zudem unter anderem die Beteiligungsgesellschaft Apax und der Finanzdienstleister Goldman Sachs genannt, die gemeinsam bieten könnten.

Artikel vom 04.11.2006