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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Abstimmung mit den Füßen


Es ist eine Abstimmung mit den Füßen, die sich alljährlich wiederholt: Die Zahl der Kinder, die nach der Grundschule aufs Gymnasium wechselt, wird immer größer. Innerhalb von zehn Jahren ist die Quote in Bielefeld von 31 auf fast 40 Prozent angewachsen.
Die Ursache liegt bestimmt nicht darin, dass die Kinder so viel schlauer geworden wären. Vielmehr entscheiden sich ihre Eltern fürs Gymnasium, weil sie den Eindruck gewinnen müssen, dass nur noch das Abitur den Weg in den Beruf einigermaßen ebnet.
Der anhaltende Trend führt dazu, dass es in Bielefelds Gymnasien immer enger wird. Verschärft wird die Entwicklung durch einen weiteren, eigentlich glücklichen Umstand: Während anderswo im Land die Kinderzahlen bereits deutlich rückläufig sind, werden sie in Bielefeld zumindest in den kommenden Jahren noch weiter ansteigen. So viele Jungen und Mädchen streben derzeit das Abitur an, dass ihre Zahl ausreichen würde, sogar ein weiteres Gymnasium zu errichten. Doch das wäre natürlich ökonomischer Blödsinn, denn irgendwann ist der Knick bei den Schülerzahlen unvermeidlich.
Für diejenigen, die ihre Kinder in den nächsten Jahren aufs Gymnasium schicken wollen, bedeutet die Entwicklung allerdings, dass sie zuweilen nehmen müssen, was übrig bleibt. Die freie Schulwahl muss eingeschränkt werden, weil einzelne Gymnasien schon jetzt aus allen Nähten platzen, während anderswo, in Brackwede zum Beispiel, noch reichlich Kapazitäten vorhanden sind.
Mit ihrem neuen Verfahren geht die Stadt einen risikoreichen, aber wohl unvermeidbaren Weg, der allerdings nicht zur Verunsicherung der Eltern führen darf. Schulen und Schulverwaltung müssen in den kommenden Wochen eine breit angelegte Aufklärungskampagne starten, die Eltern überzeugen, dass auch anderswo als an der Wunschschule fleißig gelernt wird. Sonst droht ein Gerangel um die freien Plätze.
Die Hoffnung, dass die im NRW-Schulgesetz vorgeschriebene verbindliche Schulwahlempfehlung den Druck von den Gymnasien nehmen wird, ist wohl eher gering. Denn neben der erstrangigen Empfehlung der Grundschullehrer wird es auch eine »mit Einschränkung« geben. Doch diese reicht aus, um im Zweifel den Anspruch auf einen Platz im Gymnasium durchzusetzen. Und eben den wollen viele Eltern. Tendenz steigend.

Artikel vom 04.11.2006