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»Die Hisbollah und Syrien schmieden ungestört neue Ränke zur
Destabilisierung des Libanon.«

Leitartikel
Marine vor Libanon

Untiefen weit ab
vom Schuss


Von Reinhard Brockmann
Wie lange will sich Deutschland bei der Unterbindung des Waffenschmuggels eigentlich noch vom Wellengang und anderen Untiefen der libanesischen Gewässer abhängig machen? Auch Scheinangriffe israelischer Militärpiloten, die ihren Chefs nicht gehorchen, muss Deutschland hinnehmen. Glaube niemand, mit dem Blitz-Besuch von Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Freitag gingen die Uhren in Nahost jetzt anders.
Bundestagsbeschlüsse und Marine-Dienstvorschriften interessieren dort niemanden wirklich. Die Hisbollah und Syrien schmieden ungestört neue Ränke, so dass auch die Libanon-Schutztruppe in den nächsten großen Konflikt gezogen werden kann.
Vorrangig soll die amtierende Regierung des Zedernstaates destabilisiert werden. Im September hat eine Verschwörerrunde exakt dies verabredet: Dabei waren nach Geheimdiensterkenntnissen Revolutionäre Garden aus dem Iran, der Befehlshaber der iranischen »Jerusalem-Brigade«, der Kommandeur der libanesischen Revolutionsgarden sowie Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah persönlich.
Teheran muss fürchten, dass die Hisbollah-Miliz innenpolitisch gegen Drusen, Christen und Sunniten an Boden verliert. Nasrallah tönt bereits, die schiitische Bevölkerung sei unterrepräsentiert. Und er stellt ein Ultimatum: Premier Fuad Sinioras antisyrische Koalition soll bis Mitte November eine »Einheitsregierung« bilden.
Teheran fährt zweigleisig: Neben der innenpolitischen Aufwertung wird die Hisbollah weiter aufgerüstet, um Israels Nervosität möglichst hoch zu halten. Zu verlockend ist die Erfahrung, dass die bislang stärkste Macht im Nahen Osten mit kleinen Raketen malträtiert werden kann - eine Erkenntnis, die die Radikalen im Gaza-Streifen derzeit gleichfalls heftig umtreibt.
Syrien spielt dabei am riskantesten mit dem Feuer. Trotz erheblicher Unterschiede zur Staatsform und dem Religionsverständnis der Mullahs ist die Anlehnung an Iran aus Sicht Präsident Baschar al-Assads unerlässlich. Gut, dass man gemeinsame Feinde hat: Israel und USA.
Syrien ist auch eine Art Ex-Kolonialmacht, die mit Schimpf und Schande aus Libanon vertrieben wurde. Damaskus liegt viel daran, genug Sympathien und käufliche Partner in Beirut zu behalten, um eine Untersuchung der Ermordung des ehemaligen libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri zu unterbinden.
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass der syrische Geheimdienst im Februar 2005 Hariri ausschaltete. Ein Schuldspruch würde Syriens Präsidenten noch stärker isolieren. Assad dürfte den Mord persönlich angeordnet haben.
Beim Fototermin in Beiruts Trümmern musste sich Minister Jung übrigens von lokalen Journalisten erzählen lassen, die Hisbollah verfüge im Land über genug Waffen für 20 Jahre Kampf. Er darf also sicher sein, dass die Deutschen weit genug vom Schuss bleiben - vor allem wenn die See ruhig ist.

Artikel vom 04.11.2006