03.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Siehe, das hat mein
Kaiser mir gegeben . . .«

Monika Minninger über jüdisches Leben in Bielefeld

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). 25 Jahre lang hat die Historikerin Dr. Monika Minninger Zeugnisse über jüdisches Leben in Bielefeld gesammelt. Die Früchte ihrer oft mühevollen Recherche liegen jetzt in Form eines wunderbaren Buches vor.

Bielefeld beherbergte eine reformfreudige (antizionistische) jüdische Gemeinde, deren Mitglieder (maximal 1100 um das Jahr 1900; heute sind es 230) sich gut assimiliert hatten, den Kaiser verehrten und stolz auf ihr Deutschtum waren. In der Stadt - im Gegensatz zum umliegenden Lande - blieben in der NS-Zeit extreme antijüdische Ausfälle eher selten, doch wurde auch hier den Juden das Leben sauer genug gemacht.
Monika Minninger lässt Quellen nicht nur aus dunkler Zeit, sondern aus zwei Jahrhunderten sprechen. Die einleitende, in dieser Form einzigartige Chronik der Familie Porta setzt im Jahr 1806 ein und zeigt in nuce den Weg so vieler jüdischer Bürger aus bescheidenen Anfängen in den Wohlstand und in die befristete gesellschaftliche Anerkennung, bis der NS-Terror fast alle Entwicklungslinien brutal abschnitt. Chronologisch fortschreitend, innerhalb der Kapitel thematisch übersichtlich gruppiert, formt die Herausgeberin aus 105 Schriftdokumenten und 139 Abbildungen ein echtes Lesebuch, das zum Schmökern bestens geeignet ist.
Vieles stammt aus dem gut sortierten Stadtarchiv. »Ich habe allerdings auch mit einigen jüdischen Zeitzeugen Kontakt aufnehmen können, deren Korrespondenz nun die Sammlung bereichert«, sagt die 62-jährige Historikerin. Dr. Johannes Altenberend, Vorsitzender des Historischen Vereins, empfiehlt die facettenreiche Sammlung auch jüngeren Lesern. Die Publikation wurde von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gefördert, die allen Schulen auf Wunsch ein kostenloses Exemplar überlässt.
l Die Herausgeberin stellt ihr Buch selbst vor: Am Donnerstag, 16. November, 19 Uhr, liest Monika Minninger im Stadtarchiv an der Rohrteichstraße ausgewählte Passagen aus den mal unterhaltsamen, mal ergreifenden, immer aber spannenden Quellentexten.
Monika Minninger (Hg.): Aus einer Hochburg des Reformjudentums. Quellensammlung zum Bielefelder Judentum des 19. und 20. Jahrhunderts; Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2006; 264 Seiten, 19 Euro.

Artikel vom 03.11.2006