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Zwischen peitschender
Dramatik und Gebet

Musikverein überzeugte mit Verdis »Messa da Requiem«

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Einen besseren Termin als Allerheiligen gibt es nicht, um ein opulentes Requiem aufzuführen. Und so lockte der Feiertag trotz nasskalten Wetters noch einmal zahlreiche Kurzentschlossene in die Oetkerhalle, so dass die Aufführung der »Messa da Requiem« von Giuseppe Verdi durch den Musikverein zwar mit Verspätung begann, sich dafür aber eines respektablen Publikumsinteresses erfreute.

Das Werk an sich genießt den Ruf, zu den bedeutendsten geistlichen Werken aus dem Italien des 19. Jahrhunderts zu gehören -Ê auch wenn sich der Vorwurf Hans von Bülows hartnäckig hält, bei Verdis Requiem handle es sich um eine »Oper im Kirchengewande«. Tatsache ist, dass der Komponist die Vertonung in seinem ureigenen Stil vornahm und den Text der katholischen Totenmesse mit einzigartigem Gespür für seinen dramatischen Gehalt füllte. Inbrunst und glutvoller Ausdruck zeugen von tiefem Respekt, obgleich sich mit Verdi 1873 ein Agnostiker an die Arbeit machte, um eine Totenmesse im Angedenken an den vom Komponisten verehrten Schriftsteller Alessandro Manzoni zu schreiben.
In Martin Fugmann fand die Partitur einen versierten Leiter, der die Dramaturgie des Werks in extrem weit gespannter Dynamik, Agogik und Akzentuierung auslotete und Effekt machte, ohne in vordergründige Effekthascherei zu verfallen. In einer auf Plastizität und Farbigkeit auf der einen, sowie emotionale Durchdringung auf der anderen Seite angelegten Wiedergabe, gelang es Fugmann, die Extrempositionen zwischen sturmpeitschender Dramatik und Versenkung prägnant miteinander zu kombinieren.
Dabei konnte Fugmann auf kompetente Partner setzen, allen voran auf den Musikvereinschor, der zwischen zart gemurmeltem sotto-voce-Beginn und ekstatisch furioser Dies-irae-Frequenz beeindruckende Schattierungen und Artikulationsvarianten zeigte - auch wenn man sich das A-cappella-Fugato des »Introitus« noch prägnanter und das doppelchörige »Sanctus« noch stimmdichter denken kann. Gleichwohl entfaltete der Chor in seiner pointierten und flexiblen Gesangskunst einnehmende Suggestionskraft.
Selbiges gilt für das Philharmonische Orchester, das mit schneidender Geste und wuchtigem Donner das Jüngste Gericht servierte, aber auch lustvoll differenziert und überirdisch klangschön aufspielte.
Große Stimmen bot das Gesangsquartett auf. Allen voran Markus Krause, der sonoren Bassschmelz mit gefühlvoller Ausdrucksgeschmeidigkeit vereinte. Daneben überzeugten Arnold Bezuyen (Tenor), Suzanne McLeod (Mezzosopran) und Andrea Gegner (Sopran). -Ê Begeisterter Beifall.

Artikel vom 03.11.2006