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Der Feind der Tomate
und der Landwirte

Biologen der Uni erforschen pathogenes Bakterium

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Anfang 2003 mussten die Bauern von La Palma 8000 Tonnen Tomaten vernichten. Sie büßten 8,4 Millionen Euro ein, viele standen vor dem Ruin. Aber nicht Hagel oder Unwetter hatten den Pflanzen den Garaus gmeacht, sondern »Cmm«, ein Bakterium, das die Welke verursacht und dem die Bielefelder Wissenschaftler auf der Spur sind.

Wenn Clavibacter michiganensis michiganensis, kurz Cmm, eine Tomatenpflanze befällt, sind ihre Tage gezählt. Für die betroffenen Landwirte - besonders im Mittelmeerraum und in den USA - sind die Folgen fatal, denn sie verlieren nicht nur eine Ernte: »Das Bakterium kontaminiert den Boden und überlebt darin - in den kommenden fünf Jahren können dort keine Tomaten gepflanzt werden«, erklärt Prof. Dr. Rudolf Eichenlaub. Der Biologe erforscht Clavibacter, hat sein Genom entschlüsselt und untersucht, welche Gene des Bakteriums dafür sorgen, dass es die Wirtspflanze erkennt, sie infiziert, sich in ihr vermehrt, die Abwehrmechanismen umgeht oder lahmlegt und schließlich durch Bildung giftiger Stoffe das Absterben der Tomate verursacht.
»Wir wissen heute, dass Plasmide in den Zellen die pathogenen, also krankmachenden, Gene tragen.« Plasmide sind ringförmige DNA-Stücke, die in den Zellen neben den Chromosomen vorhanden sind. Wenn das Bakterium von diesen Plasmiden frei ist, kann es eine Tomatenpflanze zwar noch infizieren und besiedeln, aber eben nicht mehr vernichten.
Nun kann die Taktik nicht darin bestehen, die Plasmide zu eliminieren - zumal sie von Bakterium zu Bakterium weitergegeben werden können. »Unser Fernziel ist es, Tomaten so zu manipulieren, dass ihr Abwehrgen nicht abgeschaltet oder umgangen werden kann, sondern in Dauerbetrieb ist.« In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt untersuchen die Bielefelder Biologen gemeinsam mit Kollegen der Universitäten Tel Aviv und Bethlehem, wie verschiedene Tomatensorten auf Cmm-Infektionen reagieren.
Derzeit kann die Tomatenwelke nur in Schach gehalten werden durch die strenge Kontrolle und Zertifizierung des Saatgutes, mit dem das Bakterium zumeist um die Welt reist. Bringt ein Saatgutunternehmen verseuchte Samen in Umlauf, muss es für die Schäden haften.
»Ansonsten kann man die Krankheit nur durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Antibiotika bekämpfen, beides aber ist stark umweltbelastend und kontaminiert das Grundwasser«, sagt Eichenlaub. Ihm geht es vorrangig und derzeit darum zu verstehen, wie ein pathogenes Bakterium und eine Wirtspflanze miteinander wechselwirken. »Sollte es in der öffentlichen Meinung einmal zur Akzeptanz gentechnisch veränderter Nutzpflanzen kommen, können solche Ergebnisse auch in der Landwirtschaft Anwendung finden.«
Zwar sind Tomaten für die deutsche Landwirtschaft weniger bedeutend. »Mit ihnen kann man aber gut im Labor arbeiten, weil Cmm junge, kleine Pflanzen befällt.« Zudem lassen sich die Ergebnisse der Erforschung von Cmm gut übertragen: auf Cms, Clavibacter michiganensis sepedonicus. Der spielt auch in heimischen Gefilden eine Rolle: als Erreger der Ringfäule bei der Kartoffelpflanze.

Artikel vom 03.11.2006