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Merkel will Bürger entlasten

Heute Spitzengespräch der Koalition - Steuerschätzer legen Prognose vor

Berlin (dpa). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will heute beim Koalitions-Spitzengespräch neben der Fortsetzung der Haushaltssanierung auch eine möglichst weit reichende Absenkung der Lohnnebenkosten erreichen.

Nach vorliegenden Informationen fasst sie nicht nur eine stärkere Reduzierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ins Auge. Sie will auch erörtern, ob die zu erwartenden Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe für 2006 und 2007 dazu verwandt werden können, um wenigstens einen Teil der ins Haus stehenden Beitragserhöhungen zur gesetzlichen Krankenversicherung abzufedern.
Eine abschließende Festlegung könne aber erst erfolgen, wenn kurz vor dem Treffen der Spitzenrunde der Arbeitskreis Steuerschätzung, der seit gestern tagt, seine Prognose für die zu erwartenden Mehreinnahmen für dieses und das kommende Jahr vorlegt, hieß es. Nach Schätzungen in den Fraktionen könnte im Vergleich zur Mai-Prognose das Steuerplus 20 Milliarden Euro für dieses Jahr betragen, für 2007 bis zu 15 Milliarden Euro. Haushaltsexperten gingen von den größten Steuereinnahmen seit der deutschen Einheit aus.
Merkel kündigte gestern an, den positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt mit den anstehenden Haushaltsbeschlüssen der Regierung zu stärken. Sie betonte, im nächsten Jahr müsse der Bundesetat auf alle Fälle verfassungskonform sein. »Wenn wir für den Arbeitsmarkt etwas Gutes tun wollen, dann heißt das Senkung der Lohnzusatzkosten, wo immer das möglich ist.«
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte auf die Frage, ob die zu erwartenden Steuermehreinnahmen dazu genutzt werden sollen, die Belastung der Bürger zu senken: »Ja, bei uns rennen Sie ja offene Türen ein.« Er stellte eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung über die vereinbarten zwei Punkte hinaus in Aussicht - auf dann 4,2 Prozent. Pofalla fügte hinzu, wenn die Steuerschätzung die Chance böte, die Beiträge für die Krankenkassen zu senken, wäre die Union dafür.
Auch die CSU sprach sich dafür aus. »Die Menschen müssen spüren, dass vom Wirtschaftsaufschwung nicht nur ein Teil der Bevölkerung profitiert, sondern alle.« Ein »großer Wurf« wäre es, wenn die zu erwartenden Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ganz abgefangen werden könnten, hieß es aus der Parteiführung.
Kurz vor der Finanz-Spitzenrunde beanspruchten Haushalts- und Gesundheitspolitiker die absehbar höheren Steuereinnahmen für ihre Politikfelder. Nachdem sich SPD-Chef Kurt Beck in den vergangenen Tagen eher für die Verwendung des Geldes zur Haushaltskonsolidierung ausgesprochen hatte, verlangten SPD-Gesundheitspolitiker ähnlich wie die CSU und Teile der CDU sowie die Krankenkassen zusätzliche Gelder.
»Die Kassen brauchen jetzt verbindliche Zusagen, so dass Beitragssatzsteigerungen vermieden werden können«, sagte die Sprecherin des Verbands der Ersatzkassen, Michaela Gottfried, in Berlin. Sie bestätigte, dass die Kassen mit einer Erhöhung des durchschnittlichen Krankenversicherungsbeitrags von 0,8 Prozentpunkte rechnen. Im September lag der Satz bei 14,25 Prozent. Allein zum Ausgleich einer Beitragserhöhung um 0,5 Punkte müssten 5 Milliarden Euro aus Steuermitteln aufgewandt werden.
Die Steuerexperten von Bund, Ländern, Verbänden und Instituten beraten bis heute in Gmund in Bayern über die erwarteten Staatseinnahmen. An dem anschließenden Treffen im Kanzleramt bei Merkel werden Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und die Spitzen der Koalitionsfraktionen sowie Fachpolitiker teilnehmen. Am Montag wird über das Ergebnis der Koalitionsausschuss beraten.
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Artikel vom 03.11.2006