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Frohes Geschnatter in Hiddenhausen

Schmackhaft aus OWL oder billig aus Polen? -ÊHof Nölkenhöner nach 700 Jahren vorm Aus

Von Bernhard Hertlein
und Stefan Hörttrich (Foto)
Hiddenhausen (WB). Hof Nölkenhöner ist erfüllt von fröhlichem Geschnatter. Die Gänse, blütenweiß gefiedert, stehen in großen Gruppen eng beieinander. Zum Glück wissen sie nicht, dass ihre Tage gezählt sind. Die ersten werden schon am Martinstag (10. November) im Backofen landen. Die anderen folgen an Weihnachten.

Beide Ereignisse - der mit dem Ende des Landwirtschaftsjahres verbundene Auszahlungstag für die Heuerlinge und das größte christliche Fest - werden erst durch den traditionellen Gänsebraten auch zu einem kulinarischen Ereignis. Doch der Markt ist schwierig. Die Großfamilien, in denen das Rezept für den Gänsebraten von Generation zu Generation weiter gereicht wird, sterben aus. Ursula Nölkenhöner hilft auf Nachfrage zwar gerne aus. Doch gegen die Billig-Gänse hat auch sie kein Rezept. Nur wer beide - die mit Mastfutter voll gestopften Importe aus Polen und Ungarn einerseits und die muskulösen, viel fettärmeren Freiland-Gänse aus Hiddenhausen andererseits - gekostet hat, kennt den geschmacklichen Unterschied. Ein Großteil derer, die den Hofverkauf von Donnerstag bis Samstag nutzen, sind Stammkunden. Einige kommen sogar von weit her, um in Ostwestfalen ihren Festbraten zu erstehen.
Dort, wo heute zur Hälfte des Jahres 500 Gänse und 600 Enten schnattern, hielten die Nölkenhöners bis 1980 Kühe, Schweine und Pferde. Die Geschichte des Schwagmeier-Hofs reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Generation von Ursula Nölkenhöner geb. Schwagmeier war die erste ohne männlichen Hoferben. Der größte Teil der 28 Hektar, die zum Hof gehören, ist inzwischen verpachtet. Erwin Nölkenhöner nähert sich inzwischen seinem 70. Geburtstag. Kann sein, dass sich Sohn Dirk doch noch entscheidet, den Betrieb weiter zu führen. Ansonsten würde wieder eine Hofgeschichte mit der jetzigen Generation zu Ende gehen - nach fast 700 Jahren!
Die ersten acht Gänse waren Anfang der achtziger Jahre eigentlich für den Eigenbedarf bestimmt. Doch sofort stellte sich bei den Freunden und Verwandten eine große Nachfrage ein. Angesichts des Preisrutsches für Rind- und Schweinefleisch fiel die Entscheidung, auf die Zucht von Gänsen und Enten umzustellen, nicht schwer.
Anfangs hielten die Nölkenhöners auch noch etwa 300 Hühner, doch vertrugen sich diese nicht gut mit dem Wassergeflügel.
Die Gänse sind etwa drei Wochen jung, wenn sie von einem Züchter in Norddeutschland kommend in Hiddenhausen eintreffen. Bis zum Schlachttermin sind es etwa sechs Monate. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, während der die Gössel, wie die jungen Gänse genannt werden, anfällig für Krankheiten sind und deshalb im Stall gehalten werden, dürfen sie tagsüber ins Freie. Nachts müssen sie zurück in den Stall - zu ihrem eigenen Schutz vor dem Fuchs.
Die zur Abwehr der Vogelgrippe verfügte Einstallungspflicht stellte Nölkenhöner vor große Schwierigkeiten - Probleme, die die polnische Konkurrenz wieder ein Mal nicht hatte. Sechs Euro für ein Gänseküken plus neun Euro für die Schlachtung in einem nahe gelegenen Schlachtereibetrieb: Schon diese Kosten zeigen, dass Nölkenhöner preislich mit der importierten Tiefkühlware einfach nicht konkurrieren kann. Das gilt übrigens auch für die Enten: Hier kosten ein Küken zwischen 2,50 (weiblich) und 3,50 Euro (männlich) und die Schlachtung noch einmal 5,50 Euro.

Artikel vom 04.11.2006