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Notarzt nicht am Tod eines Säuglings schuld

Klage der Eltern vor Landgericht wegen Schmerzensgeld und Schadensersatz abgewiesen

Bielefeld (uko). Unter dramatischen Umständen und trotz verzweifelter Bemühungen der Ärzte starb 2003 ein neun Monate altes Baby. Jetzt musste das Landgericht Bielefeld über die Zivilklage der Eltern gegen einen Bielefelder Notarzt wegen eines Behandlungsfehlers entscheiden: Die Richter wiesen die Forderung nach Schadensersatz und Schmerzensgeld jedoch ab.

Der Leidensweg der im Juni 2002 geborenen Ciara (alle Namen geändert) begann Mitte März des Jahres 2003. Die türkischstämmigen Eltern gingen am 21. März mit Ciara zur Kinderärztin. Die Medizinerin stellte bei dem Baby Husten und Fieber fest, diagnostizierte eine Mittelohrentzündung. Seinerzeit habe die Ärztin das Ausgangsgewicht zu Beginn der Erkrankung mit neun Kilogramm festgehalten, meinten die Eltern am Dienstag vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts.
Aufgrund ständigen Erbrechens des Säuglings stellten die Eltern ihr Kind fünf Tage erneut der Ärztin vor. Nun war der Leukozytenwert deutlich erhöht, immer noch litt Ciara unter Fieber. Am Abend des 27. März 2003 schließlich fuhren die Eltern mit dem Kind in die Notarztpraxis in den Städtischen Krankenanstalten Mitte. Notarzt Dr. Z. stellte um 21 Uhr eine Gastroenteritis, also Durchfall fest. Die Schleimhäute waren nach den ärztlichen Feststellungen feucht, am Bauch des Babys waren keine Faltenlappen zu sehen. Z. empfahl eine Wiedervorstellung des Mädchens am folgenden Tag.
Am Morgen des 28. März 2003 um 6 Uhr fanden die Eltern das Kind leblos im Bettchen liegend. Die Ärzte der Kinderklinik Gilead bemühten sich vergeblich um das Kind. Einen Tag darauf starb Ciara.
10 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz (für die Bestattung) klagten die Eltern vor dem Landgericht von Dr. Z. ein. Sie reklamierten einen Behandlungsfehler, denn der Notarzt hätte wegen des Erbrechens und des Durchfalls schon am Abend des 27. März 2003 Notfallmaßnahmen und einen stationären des Kindes wegen akuter Dehydrierung (Austrocknung) anordnen müssen.
Zweifellos habe man Dr. Z. das Ausgangsgewicht des Kindes (neun Kilogramm) genannt. Der Arzt bestritt dieses Detail gestern. Ciara wog zum Zeitpunkt ihres Todes nur noch 6 520 Gramm. Nach der Expertise des Münsteraner Gutachters Professor Dr. Johannes Vogt ist ein Gewichtsverlust innerhalb einer Nacht »unmöglich«. Die Vermerke des Notarztes sprächen ebenfalls gegen massive Anzeichen des Austrocknens. Die Zivilkammer wies daher die Klage ab. Aussage stehe gegen Aussage, und die klagenden Eltern trügen nun einmal die Beweislast.Az. 4 O 395/05

Artikel vom 01.11.2006