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Auf die Plätze, fertig, Kohl

Mit dem ersten Frost beginnt die deftige Schlemmerzeit

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Es ist typisches Grünkohlwetter: das Feuer lodert im Kamin und der Regen prasselt an die Scheiben. Für Siegfried und Petra Eberlein ist auch Grünkohlwetter. Allerdings unter freiem Himmel. Auf dem Hof Meyer zu Drewer in Babenhausen wird gerade Grünkohl geschnitten.

»Echtes Mistwetter heute«, schnauft Eberlein (43), während der feine Regen an seiner wetterfesten Jacke und Hose abläuft. Fast waagerecht peitscht der böige Wind die Regentropfen über die langen Kohlreihen auf dem Feld mit Blick bis zum Teutoburger Wald.
Wenig später wird der heimische Klassiker der kalten Jahreszeit im Hofladen angeboten. Viele Stammkunden, Gastronomen, aber auch der Großmarkt schätzen die hohe Qualität direkt vom Feld. Wenn in diesen Tagen der erste Nachtfrost über die wunderschönen gefächerten Blätter gestrichen ist, beginnt die Saison, weiß Petra Eberlein.
Nach Schulschluss und in den Ferien hilft auch Tochter Lisa (17) im Familienbetrieb, dessen Stammkunden sogar aus Lipperreihe oder Steinhagen kommen. Insgesamt 3,5 Hektar Fläche gehören zum Betrieb Meyer zu Drewer, davon 6 000 Quadratmeter unter Glas. Während Tomaten oder Minigurken lieber ein schützendes Dach über dem Kopf haben, gedeiht der Grünkohl üblicherweise im Freiland. Vor der Zubereitung muss kräftig gewaschen werden, erklärt Hausfrau Petra Eberlein.
Aber nicht nur deshalb greifen viele Zeitgenossen in Sachen Grünkohl vermehrt zu Glas, Dose oder Tiefkühlkost. Petra Eberlein: »Die Menschen nehmen sich immer weniger Zeit zum Kochen.« Dabei kann am verregneten Herbsttag oder bei klirrendem Frost schon die Zubereitung einer deftigen Mahlzeit mit Grünkohl und Beilagen ein familiäres Gemeinschaftserlebnis sein.
Die weit verbreitete Meinung, dass Grünkohl erst nach dem ersten Frost ohne Bitterstoffe besonders schmackhaft sei, ist längst überholt. Siegfried Eberlein: »Die neuen Sorten sind da ganz anders.« Geerntet wird bei Meyer zu Drewer übrigens sprichwörtlich auf Kommando: Jeden Morgen geben Großmarkt und Lebensmittelketten ihre Bestellungen auf. Und wer es besonders frisch möchte, darf auch gleich mit dem Chef auf«s Feld: Die langen Kohlreihen beginnen direkt neben dem Hofladen.

Artikel vom 01.11.2006