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Der (Ex-)Politiker als Philosoph

Norbert »Nobby« Blüm mag den Applaus seines Publikums immer noch

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Norbert Blüm? Da fällt den meisten Bundesbürgern wohl dessen Satz »Die Rente ist sicher« ein. Gut 50 Zuhörer erlebten den Politiker gestern Abend in der Boulevard-Buchhandlung vor allem als Philosophen. »Nobby« stellte sein Buch »Aus heiterem Himmel« vor. Untertitel: »Wie das Leben so spielt«. Wovon er selbst ein Lied singen könnte.

Das Haar ist weiß geworden, er trägt Hemd und Jackett ohne Krawatte. Und jemand, der 2001 zum »Brillenträger des Jahres« ernannt wurde, der wechselt das Brillen-Modell nicht.
Blüm, 16 Jahre lang Minister in der gesamten Regierungszeit von Helmut Kohl, kommt ohne Sicherheitspersonal einfach mit dem Lift in die 2. Etage der Buchhandlung gefahren. Und er freut sich sichtlich, als er dort mit Applaus empfangen wird. Ein Wasser braucht er, damit die Stimme geschmeidig bleibt. »Erst Mal kurz entspannen,« sagt er. Hinterm Mikrophon dann fühlt er sich sichtlich wohl. Dass er in Rüsselsheim geboren ist, hört man ihm immer noch an - wie damals, als er tagtäglich in den Medien präsent war. Damals hätte er ein Gefolge der lokalen Politprominenz hinter sich her gezogen - gestern Abend kam nur Sozialpolitikerin und CDU-Parteifreundin Angelika Gemkow: »Ich wollte ihm nur kurz 'Guten Tag' sagen.«
Norbert Blüm hat ein Buch geschrieben über Menschen, die er, wie er sagt, »gut oder halbgut kennt oder gekannt hat«. Ein Buch über die so genannten kleinen Leute. Er weiß: »Hinter Unscheinbarkeit können sich Tragödien verbergen und die große Liebe, sie gibt es nicht nur zwischen Romeo und Julia, sondern auch zwischen Michel und Lina.« Er liest so, wie er einst im Bundestag geredet hat: Das »R« am Ende eines Wortes bleibt unhörbar, Blüm sagt »Schweste« und »Brude«, »imme« und »Zimme«. So kennt man ihn und so mögen ihn die Zuhörer.
Nur kleine Ausflüge in die große Welt der Politik erlaubt er sich. Zum Beispiel wenn er sagt: »Politik, die vergisst, dass sie es mit Menschen zu tun hat, wird leicht zynisch.« Insgesamt 17 Buchveröffentlichungen (»Unverzagt und unverblümt«) liegen von ihm vor: Und nach literarische Ausflügen ist er doch wieder zur Politik (zwischen zwei Buchdeckeln) zurückgekehrt. Nach seiner Geschichtensammlung präsentierte er noch sein brandneues Bändchen. Es heißt »Gerechtigkeit«. Und die habe ihm, versichert Blüm, »immer am Herzen gelegen«. Seine »Gerechtigkeit«, für acht Euro zu haben, will er verstanden wissen als »Kritik des Homo oeconomicus«. Die Konkurrenz in den Bestsellerlisten ist aber übermächtig. Sie heißt Gerhard Schröder, sein Buch »Entscheidungen«.

Artikel vom 01.11.2006