23.12.2006
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Eine Zeit lang galt Novi Sad aber auch als besonders gut gesichert, denn die riesige Petrovaradin-Festung oberhalb der Stadt ist ein Bauwerk des französischen Meisters Sebastien Le Prêtre de Vauban.
Von der »MS Flamenco« ist es nur ein Katzensprung über die neue Donaubrücke in die barock anmutende Garnisonssiedlung unterhalb der Festung, vorbei an der katholischen Kirche und die steilen Treppen hinauf zur 112 Hektar großen Festung. Von dort genießt man nicht nur den imposanten Blick über Fluss und Stadt, sondern auch hin zum Fruska-Gora-Nationalpark, wo der größte Lindenbaum Europas steht. Fünf römische Cäsare wurden in den Dörfern der Vojvodina geboren, einer namens Marcus Prob brachte den Wein in seine Heimat - und so gehört zu einem typischen Essen in der Region wie den gefüllten und fritierten Palatschinken oder den mit Speck umwickelten Cevapcici neben dem Quittenschnaps eben auch ein kräftiger »Weißer«. Schon bald soll man ihn auch auf der Terrasse der Burg genießen können, denn dort soll ein Luxushotel entstehen. Eine dringend notwendige Investition, denn Novi Sad hat ein so großes touristisches Potenzial, dass man der Renovierung der Altbauten ebenso große Priorität beimessen sollte wie der Erweiterung der Bettenkapazität.
Tolle Souvenirs gibt es freilich heute schon: Preisgekrönte Designer-T-Shirts, verpackt in Dosen mit Kunstdrucken. Überhaupt haben Künstler die Festung »erobert«: Sie haben in den Kasernen ihre Ateliers eingerichtet. Einer von ihnen ist Serbiens berühmter Komponist Svetozar Kovacevic, ein Virtuose auf der Orgel. Er fühlt sich besonders Johann Sebastian Bach und damit der barocken Kontrapunkttechnik verpflichtet, integriert aber auch Aspekte der Romantik und der Renaissance und wagt sogar zuweilen expressionistische Modulationen.
Sein großer Traum ist eine richtige Orgel in der Festung, für die er Spenden sammelt. Sein Professorengehalt würde niemals reichen, um sich diesen Wunsch zu erfüllen. Deshalb verkauft Kovacevic auch nebenher Postkarten in der Festung. Und bei kulturverständigen Touristen finden auch seine CDs mit der großen ökumenischen Messe Absatz, die Elemente katholischer, protestantischer und orthodoxer Musik vereinigt.
Dieser Gedanke manifestiert sich in Novi Sad auch an einem anderen Ort: Die St. Georgskirche ist eine echte Rarität, denn sie führt den Barock mit der Kirchenbautradition der Orthodoxen zusammen - eine äußerst reizvolle Kombination. Die Ikonostase der Kirche gehört zu den schönsten des gesamten Balkans. Spaziert man von der Kirche aus durch die hübsche Fußgängerzone, so taucht man in das pulsierende Leben einer aufblühenden Stadt ein, die ihr Selbstbewusstsein aus der großen Vergangenheit bezieht. Die gibt den Menschen die Kraft, angesichts der verlorenen 15 Jahre durch das Chaos im zerfallenden Jugoslawien nun umso emsiger voranzuschreiten. Und so gibt es in der Stadt nicht nur die Filialen bekannter westlicher Handelshäuser, sondern auch alteingesessene Fachgeschäfte wie den Klingenschleifer von 1895 oder die in vierter Generation geführte Buchbinderei Ivkovic.
Novi Sads charmante Atmosphäre ist auch den herausragenden kulturellen Aktivitäten geschuldet. Die Plätze der Innenstadt werden immer wieder zur Bühne für herausragende Konzerte. Das serbische Nationaltheater hat seine Spielstätte mitten im Zentrum unweit des Rathauses. Und die Festung ist einmal jährlich Schauplatz des größten Rock-Events Europas: Beim Exit-Festival konkurrieren internationale Superstars und lokale Größen auf gleich 20 Bühnen um die Gunst des enthusiastischen Publikums.
Geht man von der Innenstadt zur Donau zurück, so gelangt man in ein Viertel, welches in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Bauhausstil errichtet wurde. Ein Kaufhaus und das Parlament der Vojvodina sind gut erhalten, die Substanz der umliegenden Wohnhäuser lässt allerdings zu wünschen übrig und bedarf dringenden der Sanierung.
Artikel vom 23.12.2006