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Rüttgers fordert soziale Balance

Einig mit der CDU-Spitze über Änderungen beim Arbeitslosengeld I

Berlin (dpa). Im innerparteilichen Streit über das soziale Profil der Partei haben die CDU-Spitze und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) eine Einigung über Änderungen beim Arbeitslosengeld I erzielt.

Rüttgers hatte zuvor noch einmal gemahnt, die CDU als Volkspartei müsse darauf achten, dass »Ökonomie und soziale Gerechtigkeit in Balance bleiben«.
Im geschäftsführenden Landes-vorstand der NRW-CDU verständigten sich CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla und die Führung der Landes-CDU auf ein Modell, das die Bezugsdauer wieder stärker an die Zeit der Beitragszahlung koppeln würde.
Nach Darstellung von Pofalla würde danach ein Arbeitsloser, der 40 Jahre Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, künftig wieder bis zu zwei Jahrelang das Arbeitslosengeld II erhalten können. Damit hätten beide Seiten eine offene Konfrontation in diesem Punkt auf dem Bundesparteitag Ende November in Dresden vermieden, hieß es.
Unterdessen forderte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) seine Partei auf, sich auch für höhere Löhne einzusetzen.
Die ALG-I-Bezugsdauer war Anfang Februar auf grundsätzlich zwölf Monate verkürzt worden. Nur Über- 55-Jährige erhalten ALG I noch bis zu 18 Monaten, wenn sie zuvor mindestens zweieinhalb Jahre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.
Rüttgers hatte dies wie auch der Arbeitnehmerflügel kritisiert, weil dieses System den Zusammenhang zwischen der Dauer der Beitragszahlungen und der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes II aufhebe.
Rüttgers betonte im ARD-Morgenmagazin, dass die Arbeitsmarktreformen dringend verändert werden müssten. »Die Bürger sagen, dass diese Reform ungerecht sei - und sie haben Recht.« Nach der Sitzung mit Pofalla kündigte Rüttgers einen entsprechenden Antrag auf dem Bundesparteitag in Dresden an.
Rüttgers hatte seiner Partei im Sommer mangelndes spziales Profil vorgeworfen und damit einen Richtungsstreit ausgelöst. Er verwies darauf, dass die Union in Umfragen nur noch bei 30 Prozent liege, da Arbeitnehmer nicht mehr ihre Interessen gewahrt sähen. Die Partei müsse sich von Lebenslügen verabschieden. Dazu gehöre die Darstellung, dass durch Steuersenkungen automatisch neue Arbeitsplätze entstünden.
Das Arbeitslosengeld I beträgt für Arbeitslose mit einem Kind 67 Prozent des letzten Nettolohns, und ist damit zumeist wesentlich höher als das Arbeitslosengeld II nach dem Hartz IV-Gesetz.
Auf dem Düsseldorfer Parteitag 2004 hatte sich die CDU darauf verständigt, dass im Regelfall das Arbeitslosengeld I nur 12 Monate gezahlt wird. Wer aber 15 Jahre Beiträge gezahlt hat, solle 15 Monate lang die Versicherungsleistung empfangen. Ab 25 Beitragsjahren würde nach dem Modell ein Anspruch auf 18 Monate entstehen. Die Höchstdauer für das ALG I von 24 Monaten würde danach nach 40 Beitragsjahren eintreten. Die SPD hatte Änderungen immer wieder widersprochen.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner (Gütersloh), hat die Forderung Rüttgers', die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für langjährige Beitragszahler auszudehnen, als Mogelpackung kritisiert. »Wenn langjährige Beitragszahler mehr Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bekommen sollen, müsste man Jüngeren, die unverschuldet ihren Arbeitsplatz verloren haben, und Älteren, die keine dauerhafte Erwerbstätigkeit hatten, etwas wegnehmen. Das kann nicht gerecht sein.«
Zur Begründung seiner Forderung nach höheren Löhnen betonte Lammert: »Wir müssen uns der wachsenden Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Unternehmensgewinne und der Kapitalerträge auf der einen und der Löhne und Gehälter auf der anderen Seite annehmen.«

Artikel vom 01.11.2006