04.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Für immer und ewig - »Uns Uwe«

Von Klaus Lükewille
Hamburg (WB). Seine Frau Ilka nennt ihn »Mäuschen«. Seine Freunde rufen ihn »Dicker«. Aber einer wie er, der hat noch einen dritten Spitznamen. »Uns Uwe«. Alle Fußball-Anhänger, und nicht nur die, sie wissen sofort, wer da gemeint ist.

»Uns Uwe«, das bleibt Uwe Seeler für immer und ewig. Und dieses familiäre »uns«, das passt zu diesem Hamburger »Jungen«, der am 5. November seinen 70. Geburtstag feiert. Seeler, die Seele des deutschen Fußballs. Fleißig und freundlich, ehrgeizig und erfolgsorientiert, tadellos und treu. Ein Mann mit vielen Eigenschaften - und ohne Star-Allüren.
Auch wenn Seeler zu ein paar tausend Kopfbällen abgehoben hat, er behielt stets mit beiden Beinen die Bodenhaftung: »Das haben mir meine Eltern früh beigebracht: Uwe, du musst immer ein anständiger Kerl bleiben.«
Erwin und Anni Seeler bekamen im Sommer 1950 Besuch. Der Bundestrainer stand vor der Tür. Sepp Herberger wollte Dieter Seeler sprechen, einen Kandidaten für die Nationalmannschaft. Mutter Anni brachte beim Kaffee aber auch sofort den kleinen Uwe ins Gespräch: »Lieber Herr Herberger, Sie müssten sich unseren Lütten unbedingt mal ansehen, der wird noch besser als der Dieter.«
Mamas Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Am 14. Oktober 1954 stand ihr Uwe, damals 17 Jahre jung, erstmals in der DFB-Auswahl. Dieter bestritt übrigens nie ein Länderspiel.
Sein kleiner Bruder kam auf vier WM-Teilnahmen, 72 Einsätze und 43 Tore. Allerdings: einen großen Titel konnte Uwe Seeler im Dienst für Deutschland nie gewinnen. WM-Zweiter 1966, WM-Dritter 1970. Das war's. Trotzdem wurde er vom Deutschen Fußball-Bund 1972 zum Ehrenspielführer befördert - wie Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus, die 1954, 1974 und 1990 stolz den goldenen WM-Pokal hoch halten durften.
Aber Seeler hatte sich diese Auszeichnung ebenfalls verdient. Mit großem Einsatz - und tollen Treffern. Seine Spezialität: Kopfbälle. Bei der WM 1970 schockte er die Engländer im Viertelfinale sogar mit einem Hinterkopf-Kopfball. Das 2:2 nach 0:2. Am Ende hieß es 3:2 für Deutschland.
Der damalige Bundestrainer Helmut Schön über die Qualität seines Mittelstürmers: »Der Uwe ist ja kein Riese. Er springt auch nicht höher als die anderen. Aber steigt immer genau zum richtigen Zeitpunkt in die Luft.«
Sein Flankenlieferant beim Hamburger SV ließ den Kumpel hier jedoch ein paarmal vergeblich abheben. Gert »Charly« Dörfel, stets für einen Spaß zu haben, blickt zurück: »Wenn wir klar führten und ich mit Uwe Stress hatte, habe ich die Dinger immer ein bisschen höher platziert - und der Dicke reckte sich umsonst.«
Danach konnte der außerhalb des Platzes immer so verbindliche Seeler richtig sauer werden. Dann wurde in der Kabine Fraktur geredet. Restlos verärgert war der Hamburger auch 1968 über den Bundestrainer. Schön setzte in der Angriffsmitte auf Gerd Müller. Seeler sollte Rechtsaußen spielen. »Nein, danke!« Das war die knappe Antwort des beleidigten Kapitäns, der freiwillig von Bord ging.
Doch vor der WM 1970 überredete Schön seinen alten Spielführer. Seeler ackerte und rackerte als zweite Spitze hinter Müller aus dem Mittelfeld vorbildlich. Franz Beckenbauer muss noch heute grinsen, wenn er sich an die Bilder erinnert: »In Mexiko war es glühend heiß, fast 50 Grad. Und der Kopf vom Uwe, der wurde dunkelrot. Aber der rannte und rannte, bis zur Erschöpfung.«
Typisch »Uns Uwe«. So ist er eben. Ein Spieler mit eisernem Willen. Wie im Februar 1965, als er sich bei der HSV-Partie in Frankfurt die Achillessehne riss. Eine schwere Verletzung, die damals Karrieren abrupt beendete. Aber doch nicht die von Seeler. Schon im Herbst stürmte er wieder für Deutschland, schoss beim 2:1 in Schweden mit einem Tor die Tür zur WM 1966 in England auf.
»Uwe war für mich ein Vorbild«, sagt Rudi Völler, einer seiner Nachfolger mit dem Trikot Nummer 9. Dieses Hemd trug Seeler von 1948 bis 1972 nur für einen Verein. Einmal HSV, immer HSV. Treu - oder ein bisschen treudoof? Denn 1961 lockte Inter Mailand mit der Gage von einer Million Mark. Doch Seeler sagte »Nein«, Sepp Herberger besorgte ihm dafür eine Lebensstellung bei »adidas«. Und der ewige Hamburger, er wurde auch in seiner Heimat zum reichen Mann.
Heute bereut er nichts. Gar nichts. Hat alles richtig gemacht. Halt, nicht ganz. Die Jahre als HSV-Präsident von 1995 bis 1998, das war nicht unbedingt seine stärkste Zeit in diesem Verein. »Uns Uwe« im falschen Film.
Aber am 5. November spielt er garantiert wieder die richtige Rolle. Als Hauptdarsteller. Im VIP-Zelte neben der AOL-Arena werden 530 Gäste erwartet.
70 Jahre! Gratulation.
Ein Sport-Idol, beliebt und populär. Seeler weiß ganz genau, warum sein Leben so »rund« verlaufen ist. Der Titel seiner 2003 erschienenen Biografie sagt alles: »Danke, Fußball!«

Artikel vom 04.11.2006