31.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jung rüstet zum zügigen Abzug

Nächstes Jahr Truppenabbau in Bosnien - Ermittlungen gegen 20 Soldaten

Berlin (dpa). Unter dem Druck der zahlreichen Auslandseinsätze will Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) seine Pläne für einen schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina nun zügig umsetzen.

Nach den in dem Balkan-Land Anfang Oktober gut verlaufenen Wahlen und der eingetretenen Stabilisierung müsse über einen Abzug nachgedacht werden, sagte Jungs Sprecher Thomas Raabe gestern in Berlin.
Raabe verwies darauf, dass Jung bereits im Sommer einen solchen Schritt angekündigt hatte. Im Juli hatte Jung gesagt, wenn in Bosnien und auch im Kosovo eine positive Entwicklung zu verzeichnen sei, »müssen wir danach über eine Strategie des stufenweisen Abzugs unserer Soldaten nachdenken«. Über das Truppenmandat entscheidet der Bundestag voraussichtlich im Dezember. Raabe sagte, vermutlich könne erst im ersten Halbjahr 2007 mit einem Rückzug begonnen werden.
Die Bundeswehr stellt derzeit 850 der insgesamt 7000 Soldaten, die im Rahmen der militärischen Operation der Europäischen Union (EUFOR) die Lage in dem Balkan-Land sichern. Raabe sagte, die EU könne in einem ersten Schritt möglicherweise insgesamt zwei Bataillonsstärken von 1000 Soldaten abziehen. Details zur Zahl der deutschen Soldaten nannte er nicht.
Der FDP-Politiker Rainer Stinner sagte, zunächst sei eine Halbierung der deutschen Soldaten im Februar sinnvoll. Er warnte davor, die Soldaten zu früh abzuziehen - etwa solange es keine Ruhe durch die UN-Verhandlungen über die Unabhängigkeit des Kosovo gebe.
Auch der SPD-Vizefraktionschef Walter Kolbow hält einen baldigen Abzug der Bundeswehr aus Bosnien-Herzegowina für möglich. Er schließe nicht aus, dass die Soldaten ganz abgezogen und durch EU-Polizisten ersetzt werden.
Im Skandal um Totenschändungen durch Afghanistan-Soldaten der Bundeswehr wird unterdessen gegen 20 Beteiligte ermittelt. Raabe sagte, zwei Soldaten seien bis jetzt vom Dienst suspendiert worden. Er wisse, dass zumindest »eine große Tageszeitung« noch über mehrere Bilder verfüge.
Der Kreis der an den Schändungen beteiligten Soldaten umfasse ausschließlich Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgrade. Viele von ihnen seien allerdings nicht mehr im aktiven Dienst. Das Ministerium hob hervor, dass in allen bisher bekannt gewordenen Fällen der Kreis der Verdächtigten eingegrenzt werden konnte.
Drei Soldaten einer Kaserne in Schleswig-Holstein haben inzwischen ihre Beteilung zugegeben. »Die Verantwortlichen haben den Fall rückhaltlos eingestanden, zeigten sich reumütig und zerknirscht über den Vorfall«, sagte General Christof Munzlinger, Kommandeur der Panzer-Brigade 18. Laut General Munzlinger hatte einer der Täter aus der Lettow- Vorbeck-Kaserne in Bad Segeberg in den Tagen nach den Aufnahmen noch versucht, das Material zu löschen. Allerdings seien die Fotos bereits mehrfach kopiert worden.
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat Bundeskanzlerin Angela Merkel um eine Fortsetzung des deutschen Militäreinsatzes in der UN-Friedenstruppe UNIFIL gebeten. In einem Telefongespräch hatte Olmert der Kanzlerin wie berichtet versichert, Israel unternehme alles, damit es keine weiteren Zwischenfälle mit der israelischen Luftwaffe gebe.
Nach Angaben von Olmerts Beraterin Miri Eisin hat der israelische Ministerpräsident die Bildung einer besonderen Verbindungstelle zwischen den deutschen und den israelischen Streitkräften angekündigt. Olmert nannte den deutschen Marineeinsatz, der Waffenschmuggel in den Libanon verhindern soll, von »großer Bedeutung« sowie »wichtig und zentral«.
Jung reist am Donnerstag zunächst nach Beirut, am Freitag dann weiter nach Tel Aviv.
Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 31.10.2006