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»Haarscharf an der von vielen befürchteten Konfrontation vorbeigeschrammt.«

Leitartikel
Bundeswehr in Nahost

Kooperativ
bedeutet
eingeschränkt


Von Dirk Schröder
Der Einsatz der Bundesmarine vor der libanesischen Küste steht bisher unter keinem guten Stern. Die deutschen Schiffe konnten erst nach einer sehr kontroversen Diskussion in der Heimat ins Mittelmeer auslaufen. Dann wurde bekannt, dass die Flotte in der Sechs-Meilen-Zone vor der Küste nur mit Zustimmung der libanesischen Regierung kontrollieren kann. Und schließlich ist es mehrfach zu nicht ungefährlichen Zwischenfällen zwischen deutschen und israelischen Streitkräften gekommen.
All dies ist natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die schon immer vor dem ersten Einsatz deutscher Truppen in Nahost gewarnt hatten. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der nicht nur wegen des Libanons, sondern auch wegen der Afghanistan-Affäre momentan unter Dauerbeschuss steht, wird hier einiges aufzuklären haben. Bei seiner Reise in den Nahen Osten in dieser Woche, aber auch gegenüber den Parlamentariern in Berlin.
Richtig ist: Jung hat den Bundestag nicht belogen und auch nicht vorsätzlich getäuscht, was ihm jetzt aus den Reihen von FDP und Grünen vorgeworfen wird. Richtig ist aber auch, dass er die Frage nach einem robusten Mandat - für viele Abgeordnete Vor-aussetzung für ihre Zustimmung - ein wenig verschleiert beantwortet hat. Wenn er davon spricht, das Mandat sei »kooperativ, aber effektiv«, sind dies eben doch nicht die uneingeschränkten Handlungsmöglichkeiten, die das Mandat erst wirklich erfolgversprechend machen.
Abgesehen davon, dass die radikal-islamische Hisbollah die meisten Waffen sowieso über den Landweg erhält, sind Zweifel angebracht, dass die Marine den Waffenschmuggel über See unterbinden kann, wenn sie eben nur mit Zustimmung der libanesischen Regierung in der Sechs-Meilen-Zone kontrollieren darf. Der Hisbollah mit ihrem starken Einfluss auf die schwache libanesische Regierung wird es recht sein.
Sollte die Hisbollah tatsächlich weiterhin Waffen über den Seeweg erhalten, macht der Marineeinsatz wenig Sinn - der Verband sollte schnellstens wieder Kurs auf Deutschland nehmen.
Eine starke Hisbollah wird die angespannte Lage in Nahost nicht verbessern. Aber auch den Israelis muss einmal nachdrücklich deutlich gemacht werden, dass sie mit ihren Flügen über den Libanon wenig zum Frieden in der Region beitragen. Dazu gehören auch die Zwischenfälle mit dem deutschen Marineverband. Diese sollten nicht heruntergespielt werden, wie dies jetzt von israelischer Seite geschieht. Die Situationen waren durchaus gefährlich.
Es mag sein, dass die Sache nach dem Telefonat zwischen Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Regierenden vom Tisch ist.
Doch ein bitterer Beigeschmack bleibt bei alledem. Haarscharf sind deutsche und israelische Soldaten an der von vielen befürchteten Konfrontation vorbeigeschrammt.

Artikel vom 31.10.2006