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»Zu viele Emotionen in der Debatte«

Die ersten Studienbeiträge sind überwiesen. Auf Einnahmen von rund 300 000 Euro kommt derzeit die Fachhochschule, die Universität schätzt, dass es 900 000 Euro werden. Was mit dem Geld bereits passiert ist, noch passieren soll, und wie das Studienbeitragsmodell der Zukunft aussehen kann, das wissen die beiden Rektoren Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff (Fachhochschule) und Prof. Dr. Dieter Timmermann (Universität). Mit ihnen sprach Laura-Lena Förster.

Hätten Sie als Student 500 Euro zahlen können?Timmermann: Ich habe die ersten vier Semester Studiengebühren gezahlt: 150 Mark pro Semester plus Hörergebühren für jede Semesterstunde, die man belegt hat. Im Schnitt kam ich auf 200 Mark im Semester. Wenn man das auf die heutige Zeit hochrechnet, sind es mehr als 500 Euro.
Rennen-Allhoff: Seit ich 14 war, habe ich immer gearbeitet. Als ich zu Hause ausgezogen bin und feststellte, wie teuer das Leben ist, hatte ich auch schon mal nichts zu essen. 500 Euro hätte ich nicht ohne weiteres auf den Tisch legen können. Ich hätte ein Darlehen der NRW-Bank in Anspruch genommen.

Hätten Sie gegen Studiengebühren protestiert? Timmermann: Sie waren damals selbstverständlich. Aber wir waren alle froh, als sie abgeschafft wurden.
Rennen-Allhoff: Nein. Wenn ich wirklich gesehen hätte, dass sie zur Verbesserung der Lehre eingesetzt worden wären, hätte mir das eingeleuchtet.
Timmermann: Ich hätte es gern gesehen, wenn mit den Studiengebühren Tutorien eingerichtet worden wären, denn die gab es überhaupt nicht.

Apropos Tutorien: Die Uni hatte angekündigt, mit den Studienbeiträgen neue Tutoren einzustellen. Ist das geschehen?Timmermann: Es passiert. Das ist Aufgabe der Fakultäten. Sie bekommen 50 Prozent der Einnahmen, die in der Universität bleiben. Die Wirtschaftswissenschaften haben in vier großen Lehrveranstaltungen für Erstsemester jeweils drei zusätzliche Tutorien eingerichtet. Ähnliches hat die Technische Fakultät gemacht und die Zahl der Tutorien für Erstsemester um knapp 25 Prozent erhöhten Das sind nur zwei Beispiele.

Wie sieht es denn an der Fachhochschule aus?Rennen-Allhoff: Wir haben flächendeckend Erstsemestertutorien eingeführt. Außerdem werden wesentlich mehr Fachtutorien eingerichtet. Das betrifft insbesondere den Bereich Wirtschaft, wobei die Eingangsvoraussetzungen der Studierenden sehr unterschiedlich sind. In den Ingenieurswissenschaften sieht das ähnlich aus. Im Übrigen ist bei uns in diesem Semester auch noch nicht die Masse Geld angekommen.

Wieviel Geld ist es denn?Rennen-Allhoff: Wir haben 1106 Studienanfänger, von denen rund 800 überhaupt zahlungspflichtig sind. Die anderen sind in der Regel Hochschul- oder Fachwechsler. So kommen wir zunächst auf rund 300 000 Euro. Von den gezahlten Beiträgen gehen vermutlich noch einmal 23 Prozent für den Ausfallfonds der NRW-Bank ab. Vermutlich, denn wir haben es ja noch nicht schriftlich. Außerdem fallen Verwaltungskosten an.

Wieviel Geld hat die Uni schon eingenommen?Timmermann: Wir schätzen, dass es etwa 900 000 Euro werden. Bis Mitte November laufen noch die Nachrückverfahren im Zwei-Fach-Bachelor. Im Ein-Fach-Bachelor erreicht die Zahl der Anfänger mittlerweile die des Vorjahres. Im Zwei-Fach-Bachelor werden wir wahrscheinlich einen Rückgang haben. Wir wollen zudem ermitteln, wie viele Studenten das Darlehen der NRW-Bank in Anspruch genommen haben. Bislang sind das nur knapp 10 Prozent - in anderen Universitäten sieht es ähnlich aus.

Warum?Timmermann: Vermutlich nehmen es vorwiegend Bafög-Empfänger in Anspruch, weil sie ab einem bestimmten Niveau kaum belastet werden. Die anderen nutzen offensichtlich andere finanzielle Quellen, wahrscheinlich die Eltern und Großeltern.
Rennen-Allhoff: Bei uns haben etwa 200 Studenten das NRW-Darlehen beantragt, also rund 25 Prozent.

Was ist mit der Vergabe von Stipendien?Timmermann: Wir vergeben sie an ausländische Studierende. Wir sprechen dabei von »unechten Stipendien«, weil wir an die Vergabe die Erwartung knüpfen, dass die ausländischen Studenten, wenn sie zurück in die Heimat gehen und ein akzeptables Einkommen beziehen, sie auch zurückzahlen.
Und andere Gruppen?Timmermann: Wir haben auf der Erhebungsseite schon viele Ausnahmen: Studierende mit Kind, studentische Mitglieder in der Selbstverwaltung als Beispiele. Da sind wir großzügiger als andere Universitäten.

Und solche, die nicht in diese Gruppen fallen?Timmermann: Für sie gibt es immer noch die Möglichkeit des zinsgünstigen Darlehens der NRW-Bank. Außerdem haben die fünf staatlichen Hochschulen der Region den Studienfonds OWL eingerichtet, der Stipendien an leistungsfähige Studierende, die nachweislich bedürftig sind, vergibt.
Rennen-Allhoff: Wir hatten in unserem Entwurf an den Senat die Möglichkeit der Vergabe von Stipendien aufgenommen. Das ist aber insbesondere von den Studenten abgelehnt worden. Mit dem Argument: Wir wollen nicht für eine soziale Umverteilung aufkommen müssen. Es fließen also keine Mittel aus den Studienbeiträgen in den Studienfonds.
Fortsetzung auf Seite 4

Artikel vom 07.11.2006