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Struck sieht
Bundeswehr
überfordert

Weiterer Marine-Zwischenfall

Berlin (dpa). Angesichts zunehmender Probleme bei riskanten Auslandseinsätzen wächst in der großen Koalition die Furcht vor einer Überforderung der Bundeswehr.
Will Zahl der Einsätze verringern: Peter Struck.

Sowohl Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) als auch sein Amtsvorgänger Peter Struck (SPD) sprachen sich am Wochenende für Zurückhaltung aus. Struck - inzwischen SPD-Fraktionschef im Bundestag - plädierte sogar dafür, die Zahl dieser Einsätze zu reduzieren. Grüne und FDP hingegen meinen, dass eher mehr deutsche Soldaten zur Verfügung gestellt werden sollten. Beide Oppositionsparteien verwiesen auf die Pflicht, in der sudanesischen Provinz Darfur einen Völkermord zu beenden.
»Auch wenn es noch eine breite Unterstützung für Auslandseinsätze im Parlament gibt, so ist tatsächlich mancher Abgeordnete inzwischen der Auffassung, die Grenzen seien erreicht. Deshalb müssen wir Zurückhaltung üben«, sagte Verteidigungsminister Jung.
Struck sagte: »Man muss sich immer wieder fragen, ob ein Einsatz noch berechtigt ist.« So sei der Krieg in Bosnien »seit elf Jahren vorbei, und die Bundeswehr ist immer noch mit einem großen Kontingent dort. Wir sollten allmählich das Ziel erreichen, dass unsere Soldaten Bosnien wieder verlassen.« Viele Aufgaben könnten dort von Polizisten anderer europäischer Länder übernommen werden.
Nach mehreren Zwischenfällen zwischen deutschen Marine-Einheiten und Israels Luftwaffe vor der libanesischen Küste ist Jung um Schadensbegrenzung bemüht. Von einer »Konfrontation mit israelischen Soldaten« könne »keine Rede sein«. Gleichwohl wird Jung diese Woche in den Nahen Osten reisen, will die Vorgänge aber nicht von sich aus ansprechen.
In der Nacht zum Freitag sei erneut ein Hubschrauber der Bundesmarine von israelischen Jagdbombern bedrängt worden, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Die israelische Militärführung habe zugesagt, dass sich solche Zusammenstöße nicht wiederholen würden.
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert bedauerte die Vorfälle. In einem Telefongespräch versicherte er gestern Abend Kanzlerin Angela Merkel (CDU), »dass es nicht wieder vorkommt«.
Der Skandal um die Bilder von Totenschändungen durch Afghanistan-Soldaten der Bundeswehr hat auch die Debatte über Terrorgefahr in Deutschland neu angeheizt. Führende Innenpolitiker warnten vor einem wachsenden Anschlagsrisiko hierzulande. »Solche Vorfälle liefern islamistischen Extremisten Munition für eine weitere Radikalisierung«, sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU).
Gerüchte, wonach Offiziere in Afghanistan seit längerem von dem Skandal Fotos wussten, wies das Verteidigungsministerium am Wochenende zurück.
Seite 2: Kommentar

Artikel vom 30.10.2006