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»Unterm Strich werden
Sozialabgaben gesenkt«

Arbeitslosenbeitrag: mehr als zwei Prozent möglich

Berlin (dpa). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Hoffnungen auf stärkere Beitragssenkungen in der Arbeitslosenversicherung neue Nahrung gegeben.

Der Beitrag sinke zum Jahreswechsel »auf jeden Fall um zwei Prozentpunkte, eventuell sogar mehr - je nachdem, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt bessert«, sagte sie dem Magazin »Focus«.
Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung soll nach dem Willen der großen Koalition Anfang 2007 von 6,5 auf 4,5 Prozent sinken. Da sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) aber ein Überschuss in der Größenordnung von elf Milliarden Euro abzeichnet, werden Forderungen - vor allem aus der Union - immer lauter, den Beitrag weiter zu ermäßigen.
Merkel betonte, es werde im kommenden Jahr »unterm Strich« eine Senkung der Sozialabgaben geben. Forderungen nach neuen Leistungskürzungen für Langzeitarbeitslose wies die Kanzlerin zurück: Wo es keine Arbeitsplätze gebe, »da kann man den Menschen nicht vorwerfen, dass sie keine Arbeit finden«.
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise warnte in Nürnberg davor, den Arbeitslosenbeitrag deutlich stärker als geplant zu senken. Nur wenn sich Konjunktur und Beitragseinnahmen am obersten Ende der Erwartungen entwickelten, könne der Beitragssatz »leicht unter 4,5 Prozent fallen - aber sicher nicht auf 4,0 Prozent«.
Für den Umbau des Niedriglohnsektors prüft Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) auch die Einführung eines umfassenden Systems staatlicher Lohnzuschüsse nach Art einer »negativen Einkommenssteuer« oder eines »Bürgergeldes«. Dabei zahlen Bedürftige keine Steuern und Abgaben, sondern erhalten Geld vom Finanzamt dazu.
Das Modell sieht nach Darstellung des »Spiegel« vor, für Hartz-IV-Empfänger die aktuellen Zuverdienstmöglichkeiten stark zu reduzieren. Im Gegenzug erstatte der Staat Geringverdienern mit Bruttoeinkünften bis 1300 Euro (Singles) beziehungsweise 1900 Euro (Verheiratete) die Beiträge zu den Sozialversicherungen ganz oder teilweise. Netto bleibe dann deutlich mehr vom Bruttoverdienst übrig als heute.
Eine Ministeriumssprecherin sagte dazu, das Modell des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger sei »eines von mehreren«, die Gegenstand der vorangegangenen fünf Anhörungen für ein neues Niedriglohnkonzept gewesen seien. »Es ist ein ergebnisoffener Prozess, es gibt keine Festlegungen für ein bestimmtes Modell«, sagte sie zu der »Spiegel«-Darstellung, Fachbeamte des Ministeriums hätten das Konzept positiv bewertet.
Auf Distanz zu einer Variante der »negativen Einkommenssteuer«, wie sie Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) mit einem steuerfinanzierten Grundeinkommen von bis zu 800 Euro für alle Bürger ins Gespräch gebracht hatte, ging SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. »Das ist eine konservative Stilllegungsprämie. Menschen werden einfach aufgegeben, als nutzlos abgestempelt, in die Sackgasse geschoben und mit Geld abgefunden.«
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) will, dass Langzeitarbeitslose mehr Geld für die Altersvorsorge zurücklegen dürfen. Dies sieht ein Antrag der NRW-CDU zum Bundesparteitag Ende November vor. Die erlaubten Beträge für das so genannte Schonvermögen sollen demnach fast verdreifacht werden - von derzeit 250 Euro pro Lebensjahr bei einer maximalen Gesamtsumme von 16 250 auf künftig 700 Euro pro Jahr bei einer Höchstsumme von 45 000 Euro. Rüttgers plädierte auch dafür, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für langjährige Beitragszahler wieder zu verlängern.

Artikel vom 30.10.2006